Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1981) (81)

II. Schruns, ein Zentrum dieses sonderbaren Brauches Von all den Wallfahrtsorten, an denen im 18. Jahrundert bedingte Taufen an totgeborenen Kindern vorgenommen wurden, hat in unserer Gegend kaum einer eine derartige Bedeutung erlangt wie Schruns, der Hauptort des Montafons. Es müssen sehr viele totgeborene Kinder ge- wesen sein, die dort in einem Zeitraum von etwa hundert Jahren be- dingt die Taufe erhalten haben. Nicht nur aus allen Teilen Vorarlbergs, sondern auch aus Tirol, aus Liechtenstein, aus der Schweiz, aus ganz Schwaben und dem württembergischen Oberland brachte man totge- borene Kinder nach Schruns, damit sie dort die bedingte Taufe erhalten konnten. Armin Müller ging, als er in den ersten Nachkriegsjahren an seiner Dissertation arbeitete, mit viel Spürsinn und Hartnäckigkeit den noch vorhandenen Quellen in Tisis und Schruns nach. Entgegen den Behaup- tungen, es sei im Schrunser Pfarrarchiv über diese Taufen nichts zu finden, trieb er zwei alte Verzeichnisse auf, die weitgehende Klarheit in diese Angelegenheit brachten. Bei diesen Nachforschungen hatte auch mein alter Freund Pfarrer Wendelin Gunz die Hand im Spiel; er fand auf zehn losen und teilweise zerfetzten Blättern, die zu einem alten Taufbuch gehören, diesbezügliche Aufzeichnungen von Pfarrer Karl Dominik Weinzierl. Dieses Verzeichnis ist überschrieben mit Catalogus injantium funepta genesi procreatarum ad SS Reliquies huc apportarum in ordine ad consequendum Bapzatorum softem sub conditione. Im ganzen sind 47 Fälle von solchen bedingten Taufen in der Zeit vom 15. August 1744 bis 17. Oktober 1753 darin enthalten. In allen verzeichneten Fällen gibt es wenigstens den Vater, den Herkunftsort und die am Kinde aufgetretenen Zeichen an, die für die bedingte Taufe ausschlaggebend waren. Als Begründung der erteilten Taufe sub con- ditione, d. h. der Taufe unter der Bedingung, dass wirklich Leben vor- handen sei, werden darin u. a. aufgeführt: •— Dieses Kind aus Mellau im Bregenzerwalde hat in Schruns den Mund geöffnet und ihn nach einer Viertelstunde von selbst wieder geschlossen. — In diesem Falle begnügte man sich mit dem Blute, das aus der Nase des Kindes floss. 140
	        

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