Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1977) (77)

Hubmaier konnte ungehindert eine Gemeinde nach seinem theolo- gischen Entwurf gestalten — unterstützt von der Obrigkeit. Das ist das Einzigartige an den kirchlichen Verhältnissen in Nikolsburg, dass den progressiven Kreisen der Reformation Gelegenheit gegeben wurde, einen Glauben zu leben, der sonst überall unterdrückt wurde, und eine Kirche zu gründen, die andernorts verboten war. «Nach der Aussage eines Täufers kamen 'viele Leute' von Wien nach Nikolsburg, um die neue Taufe zu empfangen, und in dem Bericht eines anderen Täufers heisst es, dass man an einem Tage etwa 72 Menschen in der Kirche von Nikolsburg getauft habe»43. «Nach einem zeitgenössischen Bericht sahen die Täufer zu Hubmaier auf wie zu einem Orakel, und die Menschen strömten von allen Seiten zu ihm»44. Natürlich gab es auch Schwierigkeiten, etwa mit Täufern, die an- derer Ansicht waren, wie Hans Hut, welcher über Kriegsdienst und Steuerzahlen anders dachte als Hubmaier. Leonhard wollte den Streit schlichten, lud zu einem Gespräch auf sein Schloss in Nikolsburg und unterstützte freilich seine eigenen Pfarrer43. Hans Hut wurde gar von Leonhard eingesperrt. «Einer aber, der dem Hut wol hat gewollt, und sorg für ihn getragen, hat in bey nacht in einem Hasengarn durch ein Fenster über die Mauer herabgelassen»46. Es kam also schon 1527 zu einer ersten Spaltung: Hut musste Nikolsburg verlassen, weil er gegen (Kriegs-) Steuern und Wehrdienst war. Oswald Glait schloss sich ihm an und zog mit ihm nach Wien. Hubmaier konnte nur ein Jahr ungehindert arbeiten. Er hat in dieser Zeit den grössten Teil seiner Werke verfasst, welche immerhin (mit den Kommentaren dazu) heute einen 500-seitigen Band füllen. Er hat die Gemeinde organisiert, gepredigt, getauft und verhandelt. Aber König Ferdinand hatte unterdessen Material gegen ihn ge- sammelt, mit dem er offenbar als «Aufrührer von Waldshut» überführt werden sollte. Jedenfalls konnte er erreichen, dass Leonhard den Balthasar Hubmaier im Sommer 1527 ausliefern musste. Er lag bis Frühjahr 1528 in Burg Kreuzenstein gefangen. Die Täufer-Chronik 43 Quellen, Ste 38. 44 Quellen, Ste 42. 45 Bergsten, Ste 455 46 Beck, Ste 50. 133
	        

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