Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1974) (74)

unterstützten.0 Im ersten konstitutionellen Landtag von 1862 sassen mit dem bayrischen Geistlichen Anton Gmelch, mit Markus Kessler und Gregor Fischer drei vom Ausland Zugezogene, das war ein Fünftel der Abgeordneten. Zwei von ihnen, Kessler und Fischer, waren gewählt, Gmelch vom Fürsten bestimmt worden.7 Gmelch äusserte bei der Landtagseröffnung, er fühle sich geehrt, «als Bayer im liechtensteini- schen Landtag sitzen zu dürfen»;8 in den folgenden Jahren setzte er sich im Landtag für eine betont grossdeutsche Aussenpolitik Liechten- steins ein,9 und bei seinem Wegzug schrieb er 1867 an den Landtag: «... ich bewundere eine Verfassung, die so hochherzig ist, dass sie dem Nichtinländer das Recht verleiht, an den unmittelbaren Angelegen- heiten des Landes mitberathenden Anteil zu nehmen».10 Auch Markus Kessler, seit 1862 zugleich Landrichter, zog 1877 wieder weg nach Sigmaringen, wo er noch bis zu seinem Tode Bürgermeister war.11 Diese erstaunliche Zulassung von Ausländern in politische Positio- nen war rechtlich geregelt, denn nach dem 1812 in Liechtenstein ein- geführten österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch galten im öffentlichen Dienst Angestellte automatisch als Staatsangehörige (§ 29). Die durch die Verfassung von 1862 geschaffene neue Rechtslage überbrückte der Fürst, indem er verordnete, dass bis zu einer gesetz- lichen Regelung die im Land bleibend angestellten Beamten, Geistlichen und Lehrer, welche nicht Landesangehörige waren, als solche zu be- trachten seien und aktives wie passives Wahlrecht zum Landtag genos- sen.12 Dieser Status wurde nach der 1864 erfolgten Neuregelung des Staats- und Gemeindebürgerrechts nur noch den schon im Amt stehen- den Ausländern bis zu ihrem Auscheiden aus dem Amt belassen.13 Die technische und wirtschaftliche Entwicklung Liechtensteins wur- de von ausländischen Initianten und Fachleuten getragen. Schon für 6 Protokoll vom 14. Okt. 1857, HK 1862/11175 (1857/1023). 7 Geiger, S. 304 f. 8 Zit. Feldkircher Zeitung, 31. Dez. 1862, Nr. 105, S. 418. 9 Landtagsverhandlungen, Landeszeitung 1863, Nr. 9, S. 33 ff. 10 Landtagsverhandlungen vom 31. Mai 1867, Liechtensteiner Landeszeitung 1867, Nr. 14, S. 53. 11 Liechtensteiner Volkswirt, 29. Nov. 1927, S. 1. 12 Fürstliche Verordnung vom 26. Sept. 1862, LRA 1862/XV/15. 13 Siehe unten S. 26. 34
	        

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