Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1974) (74)

Fünzigerjahre des letzten Jahrhunderts wanderten auch nur wenige Ausländer zu. Die wirtschaftliche Lage hatte sich verschlechtert, die Liechtensteiner zogen bereits selber als Saisonarbeiter in die Fremde, und die Aufnahme ins Landesbürgerrecht war schwieriger, das viel wichtigere Gemeindebürgerrecht fast unerschwinglich geworden.10 Darauf brachte die zweite Phase seit Ende der Fünfzigerjahre eine rasche Zunahme der Ausländer. Besonders viele Einwanderer kamen in den 1870er Jahren und — nach einer Abflachung im nächsten Jahr- zehnt — wieder von 1890 bis 1914. Machten die um 1855 in Liechten- stein lebenden Ausländer noch weniger als 3% der Wohnbevölkerung aus, so waren es 1861 bereits 334 oder 4,5%, 1874 schon 575 oder 7,6%, und ein gutes Jahrzenhnt später war mit 773 Ausländern die 10%- Grenze bereits überschritten; sie wurde von da an nicht mehr unter- boten. Um die Jahrhundertwende waren annähernd 15% und 1911 mit 1346 oder 16,9% Ausländern ein erster Höchsstand erreicht. Diese rasche Zunahme hatte mehrere Gründe. Sie folgte dem Einzug Liechten- steins in den Wirtschaftsraum der Donaumonarchie; das Land befreite sich dadurch 1852 aus einer gefährlichen ökonomischen Isolierung. Ausserdem fiel sie mit den Anfängen der liechtensteinischen Industrie seit 1860 und — nach einer Krise in den 1880er Jahren — mit einem erneuten Aufschwung von 1890 bis zum Ersten Weltkrieg zusammen. In der gleichen Zeitspanne stagnierte aber die liechtensteinische Wohn- bevölkerung wegen zeitweilig niederer Geburten- und hoher Sterberate und vor allem wegen beträchtlicher Auswanderung annähernd,11 im Gegensatz zur allgemeinen europäischen Entwicklung. Hatte die Zeit vom Ende des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts für die liechten- steinische Wanderungsbilanz im ganzen Wanderungsgewinne gebracht, so ergab die Periode von 1855 bis 1921, abgesehen von den günstigeren 1870er Jahren, bedeutende Wanderungsverluste, welche auch durch die starke Einwanderung nicht aufgewogen wurden. Darum stieg der pro- zentuale Anteil der Ausländer so unverhältnismässig rasch an. Es wird freilich noch zu klären sein, warum die Liechtensteiner auswanderten, während gleichzeitig viele Fremde einwanderten. 10 Vgl. Ospelt, S. 62, 64 ff. 11 Vgl. Ospelt, S. 56 ff., und Ospelt, Anhang Nr. 22 u. 23, S. 68 ff. 21
	        

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