Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1973) (73)

nicht zu decken, und selbst Liechtensteiner Gewerbetreibende zogen aus dem Bezug billiger Waren und Rohstoffe Nutzen, vor allem wenn man an den Schmuggel dachte. Für Liechtenstein hätten sich in dieser Lage zwei Möglichkeiten er- geben: Bei gerechter Behandlung aller Gewerbetreibenden zu Ungun- stensten der Liechtensteiner Konsumenten und Vorarlberger Händler und Produzenten eine rigorose Grenzbewachung, was auf ca. 80000 Franken berechnet, mit den Zolleinnahmen nicht zu vereinbaren war. Als Alternative sah man eine Abänderung des österreichisch-liechten- steinischen Handelsvertrages an, wonach gewisse österreichische Waren in Liechtenstein verzollt werden sollten. Man setzte in diesem Zusam- menhang grosse Hoffnungen auf Regierungschef Dr. Peer, dem dies nach einem günstigen Resultat der bevorstehenden Volksabstimmung bei seinen vielen Beziehungen in Österreich gelingen werde.101 Dr. Peer trat freiwillig zurück, und die Misstände blieben: So klagte etwa Schneidermeister Eugen Nigg aus Vaduz im Namen des liechten- steinischen Schneiderverbandes, dass Kleider unverzollt aus Vorarlberg importiert würden, was auf folgende Weise möglich war: In Österreich gekaufter Stoff konnte unverzollt eingeführt werden. Dieser wurde dann im sogenannten Vormerkverfahren zwecks Anfertigung eines Kleides nach Vorarlberg gebracht, wodurch man einer Eingangsverzollung ent- ging. Die Liechtensteiner Regierung war machtlos und konnte lediglich darauf verweisen, die in Vorarlberg zu erwartende Lohnsteigerung werde dieser Unsitte ein Ende setzen.102 Auch nach der Unterzeichnung des Zollvertrages mit der Schweiz fühlten sich die Liechtensteiner Schneider durch die Vorarlberger Ex- porte bedroht und versuchten ein generelles Einfuhrverbot für Kleider zu erreichen, was jedoch das Eidgenössische Volkswirtschaftliche De- partement ablehnte.103 Mit einer Vorarlberger Konkurrenz hatte man auch auf dem Arbeits- markt zu rechnen. Besonders im Unterland war trotz Arbeitslosigkeit der «Unfug» aufgetreten, dass Vorarlberger täglich im kleinen Grenz- 101 LV, 23. 3. 1921. 102 LLA: Eidgen. Volkswirtsch. Depart. Bern, 30. 5. 1924. 103 LLA: Liechtenstein. Schneidermeisterverband an FLReg. Vaduz, Vaduz 6. 5. 1922. 101
	        

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