Zum Anlass der Freilichtspiele im Juni 1924 auf Schloss Vaduz be- grub auch der Feldkircher Anzeiger sein Kriegsbeil, wobei ihm diesmal die Zusammenarbeit der beiden selbständigen Staaten Schweiz und Liechtenstein geradezu als Vorbild grossdeutscher Gesinnung und deutschnationaler Zukunftsvision erschien: «Das grosse Eichentor ist offen. Durch die braunen Balken der Zugbrücke schimmert noch ein Stückchen Vaduz und ein Stückchen vom Rhein .... Hie Helvetia — Hie Monarchie Liechtenstein. Diese zwei Gegensätze von Verfassungen haben die wirtschaftliche Verständigung restlos gefunden und in für alle Staaten vorbildlicher Weise die unliebsamen Überbleibsel der Kriegs- und Nachkriegszeit.... in den Rhein geworfen. Der führt diese Lösung und Botschaft weiter über den Bodensee hinaus . . . . »40 Zu dieser Zeit hatten auch die kühnsten Vorarlberger Anschluss- freunde an die Schweiz ihre Hoffnungen begraben, das «Schwaben- kapitel» aber stand erst am Beginn seiner Tätigkeit. Probleme des Warengrenzverkehrs Der Dezember 1918 hatte im österreichisch-liechtensteinischen Grenzverkehr hoffnungsvoll begonnen. Der völlig freie Grenzübertritt wurde aber schon Mitte des Monats dadurch erschwert, dass man — ohne amtliche Bekanntmachung — zur Mitführung eines Passes ge- zwungen und selbst strengen Leibesvisiten ausgesetzt war.41 Diese Massnahmen, von österreichischen Finanzern und Vorarlberger Volks- wehrmännern durchgeführt, stiessen auf scharfen Protest bei der Bevöl- kerung beiderseits der Grenze, um so mehr, als sich die liechtensteini- schen Grenzwachen äusserst zuvorkommend verhielten, Kleider und Taschen nicht untersuchten — »sich verhasst zu machen, übertragen sie den Österreichern».42 Die Ursachen für das kleinliche Verhalten österreichischer Grenz- kontrollen lagen im Versuch, den Schleichhandel mit Lebensmitteln nach, von und durch Liechtenstein einzudämmen. Schon im Dezember 1918 waren bei der Vorarlberger Landesregierung Klagen eingelangt, dass, besonders Butter, Käse, Obst, Branntwein, Wurst- und sonstige 40 FA, 21. 2. 1924. 41 FA, 11. 12. 1918. 42 FA, 15. 3. 1919. 79