Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1972) (72)

Säckelmeisters und der Geschworenen. Aus diesen Kandidaten be- stimmte dann das Oberamt die eigentlichen Amtsinhaber auf eine Dauer von drei Jahren. Die Wahl musste von der Hofkanzlei bestätigt werden. Die in Gemeindeversammlungen zu behandelnden Gegenstän- de wurden vom Oberamt vorgeschrieben, Beratungen über andere Trak- tanden benötigten die Bewilligung des Oberamtes. Die Gemeindever- sammlung wurde beaufsichtigt, ihre Beschlüsse bedurften oberamtli- cher Bestätigung. Unabhängige Gemeindeversammlungen waren streng verboten. Das Oberamt beaufsichtigte die Verwaltung des Gemeinde- vermögens. Die Gemeinden blieben auch in der neuen Gemeindeord- nung weitgehend bevormundet. Die liechtensteinische Revolution von 184 8 
28 zielte einerseits auf wirtschaftliche Besserung des einzelnen und der Gemeinschaft, anderer- seits auf günstigere Stellung des einzelnen in einer ebenfalls neu zu bauenden staatlichen Ordnung. Mit dem Erlass vom 7. April 1848 kam der Fürst den Wünschen und Forderungen des Volkes entgegen. Er versprach eine neue Verfassung mit freier Wahl von Volksvertretern mit dem Recht auf Bewilligung neuer Steuern und Beratung neuer Gesetze. Der künftigen Volksvertretung sollten dann alle Unterlagen einer politischen und wirtschaftlichen Reform des Landes vorgelegt werden. Neben anderen sofortigen Zugeständnissen wurde der Land- vogt in «Landesverweser« und das Oberamt in «Regierungsamt» um- benannt. Am 7. März 1849 erliess Fürst Alois II. provisorische Verfas- sungsbestimmungen, die sog. «Übergangsbestimmungen für das consti- tutionelle Fürstenthum Liechtenstein». Diese kamen den verschiedenen vorher erarbeiteten Verfassungsentwürfen nahe. Die landständische Verfassung und die in Wirklichkeit absolutistische Regierungsform wurden durch ein konstitutionelles System ersetzt.29 Das Volk bekam in einer wirklichen Volksvertretung, dem Landrat, wieder echten Anteil an der Gestaltung des staatlichen Lebens, allerdings nur für kurze Zeit. Denn als sich nach dem Scheitern der Revolution in Deutschland die Reaktion siegreich durchsetzte, kehrte auch Liechtenstein zu einer re- aktionären Innenpolitik zurück. Mit Erlass vom 20. Juli 1852 wurde der Übergang Liechtensteins zum Konstitutionalismus rückgängig gemacht, die provisorischen Verfassungsbestimmungen von 1849 ausser Kraft gesetzt und die landständische Verfassung von 1818 wieder als gültig erklärt. Erst mit der Verfassung vom 26. September 186 2 
30 war in Liechtenstein der Übergang vom Absolutismus zum Konstitutionalismus aufgrund freier Vereinbarung zwischen Fürst und Volk vollzogen. Der Fürst blieb Inhaber der Staatsgewalt, war aber durch festgelegte Mit- wirkungsrechte der Volksvertretung, der Regierung und der Richter, 28 Betr. Revolution und Verfassungsarbeit von 1848/49, vgl. Geiger, S. 52 - 124. 29 Geiger, S. 158 - 184: Das konstitutionelle Fürstentum 1849 - 1852. 30 Betr. Verfassung von 1862, vgl. Geiger, S. 248 - 304. 78
	        

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