Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1972) (72)

Die herrschaftlichen Rechte wahrzunehmen, war unter den Fürsten • von Liechtenstein Aufgabe des Oberamtes, das die eigentliche dem Fürsten allein verantwortliche Regierung darstellte. Es bestand aus dem Landvogt an der Spitze, dem Rentmeister und dem Landschreiber. Die im Gefolge der französischen Revolution auch über das kleine Land mit aller Wucht hereingebrochenen Kriegswirren mit all ihren verderblichen Begleiterscheinungen führten zu einem wirtschaftlichen Tiefstand ohnegleichen. Hatte schon der Absolutismus die alte Land- ammannverfassung geschwächt und ausgehöhlt, so versetzten ihr nun äussere Ereignisse den Todesstoss. Liechtenstein, 1806 ohne seinen Wil- len in den Rheinbund aufgenommen, hatte gegenüber den alten Reichs- auslagen ein Vielfaches an Bundeskosten zu bestreiten. Die neuen, für das Land unverhältnismässig grossen Belastungen in einer Zeit wirt- schaftlicher Not bedingten die Abschaffung der alten Ordnung. Mit einer völlig zentralisierten und mit allen Kompetenzen ausgestatteten Verwaltung sollte eine durchgreifende, den Anforderungen der neuen Verhältnissen gewachsene, wirtschaftliche Reform durchgeführt wer- den. Nach einer eingehenden Inspektion des Landes durch den fürst- lichen Hofrat Georg Hauer19 wurde der alte, verständnisvolle Landvogt Franz Xaver Menzinger 1808 in Pension versetzt. Sein Nachfolger, der 32-jährige Böhme Josef Schuppler, zeigte altem Herkommen gegen- über Verständnislosigkeit und ging erbarmungslos daran, staatliche Einheit und umfangreiche politische und wirtschaftliche Neuerungen zu erzwingen.20 Dazu hatte er von der Hofkanzlei in Wien genaueste Dienstinstruktionen erhalten. Artikel 1 der Instruktionen hob auf den 1. Januar 1809 den Landsbrauch auf. Das ganze Fürstentum wurde «als ein Objekt des obrigkeitlichen Willens angesehen nach dem Grund- satz: Regis voluntas suprema lex.»21 Die gesamte Staatsgewalt war nun in den Fürsten als absoluten Herrscher verlegt, das Volk all seiner her- gebrachten Rechte beraubt und von der Landesverwaltung ausgeschlos- sen. Das Oberamt, wie bisher bestehend aus Landvogt, Rentmeister und Gerichtsaktuar, bildete die dem Fürsten verantwortliche Regierung und war zugleich Gerichtsbehörde erster Instanz. Die jahrhundertealten Gerichtsgemeinden der Grafschaft Vaduz und der Herrschaft Schellen- berg verschwanden. Die früheren Nachbarschaften wurden Gemeinden im heutigen Sinn des Wortes. Jeder Gemeinde standen nun ein Richter, ein Säckelmeister, und, je nach Grösse, eine bestimmte Anzahl von Hilfsgeschworenen vor. Der Ortsrichter wurde aus einem Dreiervor- schlag der Gemeinde vom Oberamt gewählt, der Säckelmeister vom Oberamt ernannt; die Geschworenen bestimmte meist der Richter selbst. Die Gemeinden konnten keine Beschlüsse über das Gemeinde- 19 Malin, S. 43-45 20 a. a. O., S. 46-48. 21 a. a. O., S. 49. 76
	        

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