Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1972) (72)

sehen Unterschiede allmählich abgebaut. Grund- und Gerichtsherr- schaft und die daraus erwachsenden Bindungen und Verpflichtungen gingen ineinander über: Auch wer in keiner grundherrlichen Bindung stand, geriet aufgrund der Gerichtsherrschaft in ein Abhängigkeitsver- hältnis. Die Untertanen des Landesherren wurden in Bezug auf Dienste und Leistungen allmählich gleichgesetzt, und es bildeten sich die bei- den Landes- oder Gerichtsgemeinden der Grafschaft Vaduz und der Herrschaft Schellenberg. Jede von beiden wählte aus einem Dreier- vorschlag der Landesherrschaft ihren Landammann. Er stand dem Ge- richte vor, leitete die Verwaltungsangelegenheiten, besorgte das Polizei- und Vormundschaftswesen, handhabte das Steuerwesen und das Auf- gebot der Mannschaft, an deren Spitze er stand. Der Landammann ver- trat stets die Gerichtsgemeinde, besiegelte die öffentlichen Urkunden und hatte Vollmacht, die Blutgerichtsbarkeit auzuüben. Das Gericht bestand aus zwölf auf Lebenszeit bestellten Richtern. Ein Richter wurde jeweils aus einem Dreiervorschlag des Gerichts vom Landesherrn ge- wählt. Der Gerichtsweibel und der Landschreiber wurden ebenfalls von der Herrschaft bestellt.14 Als Rechtsgrundlage galt ursprünglich das schwäbische Landrecht, doch hatte sich allmählich ein besonderes Gewohnheitsrecht, der sog. «Landsbrauch» gebildet. Die einzelnen Dörfer, die sog. Nachbarschaften, hatten ihre eigenen Vorgesetzten, vom Landammann beeidete Geschworene. Die Bewohner der Nachbarschaften hatten als Genossen Anteil am umfangreichen Gemeinbesitz und trugen die daraus erwachsenden Verpflichtungen. Die Geschworenen, den Beamten der Herrschaft Untertan, standen der Nachbarschaft vor. Sie hatten Aufsicht über Wege, Marken, Wälder und Zäune zu führen, Witwen und Waisen zu schützen, straffällige Personen anzuzeigen oder zu fassen und an das Gericht zu liefern und Streitigkeiten unter den Dorfgenossen zu schlichten. Besondere Dorf- oder Gemeindeordnungen regelten das Zusammenleben im Dorfe. Ne- ben den Vorstehern besorgten Spendvögte das Armenwesen, Waldvögte beaufsichtigten die Gemeindewaldungen, Schulvögte die Schule, und Kirchenpfleger verwalteten das Kirchenyermögen.15 Jeder männliche Bewohner über 16 Jahren musste mit Wehr und Waffen ausgestattet sein und sich zur jährlichen Musterung einfinden. Jedermann hatte die festgesetzte Landessteuer zu bezahlen und die im herrschaftlichen Urbar verzeichneten Abgaben und Frondienste zu leisten. Niemand durfte sein Recht bei auswärtigen Gerichten suchen oder gar ohne besondere Erlaubnis des Landesherrn in ein auswärtiges Bürger- oder Landrecht treten.16 13 a. a. O., S. 17. 14 a. a. O., S. 17-19. 15 Ospelt, Verfassungsgeschichte, S. 14. 16 a. a. O., S. 16. 74
	        

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