Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1972) (72)

einzelnen Gemeinden von sehr unterschiedlichem Wert sei, befürchte- ten Gemeinden mit grossem Vermögen, sie würden mit neuen Bürgern überladen und so beeinträchtigt.61 Das Oberamt war zu keiner Konzes- sion bereit. Insgeheim verblieben die Gemeinden weiterhin bei der alten Regelung, Hessen es fast bei jeder Gelegenheit auf amtliche Zwangsmittel ankommen und verfolgten jeden, der von solchen Mitteln Gebrauch machte. Schliesslich zogen es die meisten Bürgerrechtswerber vor, das geforderte Einkaufsgeld zu erlegen, als «ewigen Unkereien» preisgegeben zu sein.62 Dem Buchstaben nach herrschte Freizügigkeit im Landesinnern, in Wirklichkeit kam das Patent vom 22. Juni 1810 nie richtig zur Ausführung. Die alte Ordnung blieb im wesentlichen erhalten, die Gemeinden blieben in der überspitzten Formulierung Schupplers «von einander getrennte Republiken im Staate.»63 Das Ge- meindegesetz vom 1. August 184264 beseitigte diese unbefriedigte Si- tuation nicht, regelte sie aber doch besser. Paragraph 47 des Gemeinde- gesetzes garantierte weiterhin die Freizügigkeit im Landesinnern. Der Liechtensteiner war frei, sich in einer anderen Gemeinde ein Haus und Güter zu erwerben und sich dort niederzulassen, erhielt aber nur sehr beschränkt Nutzungsrecht an den Gemeindegütern. Solange aber die Gemeinheitennutzung Voraussetzung für einen landwirtschaftlichen Betrieb war, und solange kaum andere Erwerbsmöglichkeiten bestan- den, kam die neue Form der Freizügigkeit der alten beschränkten Ord- nung beinahe gleich. Je mehr die Bedeutung der Gemeinheiten für die Landwirtschaft zurückging, je mehr Arbeitsplätze ausserhalb der Land- wirtschaft in Industrie, Handwerk und Gewerbe entstanden, desto leichter fiel es einem Zuwanderer, auf den Einkauf in das Gemeinde- bürgerrecht zu verzichten und sich dennoch in der Gemeinde sesshaft zu machen. Man kehrte 1842 nicht mehr zur 1810 verlangten totalen Freizügigkeit im Landesinnern zurück. Das Gemeindebürgerrecht konn- te wieder durch Einkauf in die Gemeinde erworben werden. Das Gesetz schrieb vor, dass das Einkaufsgeld «nach den Grundsätzen der Gerech- tigkeit und Billigkeit» von den Gemeinden festgesetzt, für jeden Ein- selbst festhält, dass die Ausführung des Patentes vom 22. Juni 1810 kaum zu regeln sei. — Vgl. auch Quaderer, S. 183. — In den Bittgesuchen der • liechtensteinischen Gemeinden vom 1. Mai 1815 (HKW L 3, Nr. 159 pol. 1. Mai 1819) und vom 18. April 1831 (HKW S 306, Militaria 2, Protokoll vom 18. April 1831) bildete die Aufhebung der Freizügigkeit im Landesinnern eine Hauptforderung. 61 HKW L 3, Nr. 159 pol., 1. Mai 1819. Bittgesuch. Vgl. Quaderer, S. 47 - 51. 62 LRA NR 22/1/10, 28. August 1823. OA an Fürst. Amtsbericht. 63 HKW S 304, Nr. 4000. Begleitschreiben des OA zum Bittgesuch vom 1. Mai 1819. 14. Juni 1819. 64 Betr. Einkauf etc. siehe Auszug aus dem Gemeindegesetz vom 1. August 1842 im Anhang Nr. 19, S. 55 - 57. 52
	        

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