Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1972) (72)

Wochen nach seiner Gründung hatte der Verband praktisch alle Sticker als Mitglieder gewonnen, und konnte zur Verwirklichung seiner Pläne schreiten. Hauptziel war die Sicherung der Löhne und die Beschrän- kung der Arbeit. Um das erstere zu erreichen, erliess der Verband Minimallohnbestimmungen, beschränkte die Provision der Fergger auf 2 Prozent, erliess Vorschriften über den Garnhandel und andere Be- reiche des Stickereiwesens, die allesamt im Interesse des Einzelstickers lagen. Die Arbeit wurde beschränkt, indem für neue Maschinen ein Eintrittsgeld von 400 Franken verlangt wurde, ab 1. Mai 1890 nur noch Sticker mit Stickereidiplom zugelassen wurden, und ab Ostern dessel- ben Jahres der Elfstundentag auch für Einzelsticker gelten sollte.167 Im Juni 1890 schlössen sich auch die liechtensteinischen Sticker als «Stickereisektion Liechtenstein» dem schweizerisch-vorarlbergischen Stickereiverband an und übernahmen damit auch die in dieser Vereini- gung herrschenden Regelungen.168 Der «Zentralverband der Stickerei- industrie in der Ostschweiz, Vorarlberg und Liechtenstein» hatte damals gerade den Höhepunkt seiner wirksamen und erfolgreichen Tätigkeit er- reicht. Es zeichneten sich aber bereits schwere Zerwürfnisse zwischen den so verschieden gearteten Verbandsmitgliedern ab. Die Einzelsticker hatten zwar eine Minimallohngarantie erreicht, waren aber weiterhin auf die Fergger angewiesen, die durch ihre Macht Arbeit zu geben, trotz fest- gelegter Provision verbandswidrige Zugeständnisse vom Einzelsticker er- pressen konnten. Nachdem sich 1891 Interessenorganisationen der Kauf- leute, Fabrikanten, Fergger und der Einzelsticker gebildet hatten, und somit der Zerfall des Verbandes eingeleitet worden war, kam es seit 1892 zu Massenaustritten, die im folgenden Jahr zur Verbandsauflö- sung führten.169 — 1905 schlössen sich die liechtensteinischen Sticker zu einem «Stickfachverein» zusammen,170 der wie früher die Stickerei- sektion, Wandervorträge für Sticker organisierte und zeitweilig gar einen eigenen Wanderlehrer beschäftigte, um seine Mitglieder fachlich weiterzubilden.171 167 Betr. Gründung und Tätigkeit des «Zentralverbandes der Stickereiindustrie der Ostschweiz und des Vorarlbergs» vgl.: Lorenz, S. 390 — 412; Steinmann, S. 71-116. 168 LRA 1890/Nr. 794. 23. Juni 1890. Regierungsdekret an den Vorstand der «Sektion Bendern des Zentralverbandes der Stickereiindustrie in der Ost- schweiz, Vorarlberg und Liechtenstein», womit dessen Staruten, Beschlüsse, Regulative und Vorschriften auch für Liechtenstein gültig werden. 169 Vgl. Lorenz, S. 397 - 402. 170 LRA 1905/Nr. 1781. 25. Sept. 1905. Die Regierung erteilt dem provisori- schen Stickereiausschuss die Bewilligung zur Abhaltung einer Sticker- versammlung zur Konstituierung des «StickfachVereins» am 1. Oktober 1905. 171 LRA 1913/ad Nr. 720. Mehrere Akten betr. Anstellung des Gottlieb Freh- ner aus Urnäsch als Stickerwanderlehrer. 251
	        

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