Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1972) (72)

richtet. Der überwiegende Teil des Privatbodens und der gesamte Ge- meinbesitz mit Ausnahme der Wälder und der unproduktiven Flächen wurden für die Haltung von Haustieren herangezogen. Das private Wiesland wurde wenn es die Bodenqualität zuliess, zweimal jährlich abgeerntet. Es lieferte dem Bauern das nötige Dürrfutter, um seine Viehhabe überwintern zu können. Je nach der Menge des Dürrfutters, das ein Landwirt auf seinen eigenen Wiesen erzeugen konnte, richtete sich die Grösse seines Viehstandes. Ein Grossteil des Bodens, der zwar auch Privatbesitz war, in früheren Zeiten aber noch Gemeingut gewe- sen war, unterlag der gemeinsamen Frühlings- und Herbstatzung. Ob Acker- oder Wiesland, diese Flächen mussten im Frühjahr bis Ende Mai und im Herbst ab Anfang Oktober dem Viehtrieb aller Gemeinds- leute freigegeben werden. Somit hatte sich der Ackerbau auf diesen Böden nach den gesetzten Terminen zu richten, und das Wiesland konnte nur einmal gemäht werden. Grundlage der Tierhaltung waren die übrigen, den weitaus grössten Teil des Bodens einnehmenden Rauh- futterflächen, die von Frühjahr bis Herbst beweidet wurden. Die All- mend- und Waldweiden, zusätzlich ergänzt durch Alpweiden, standen in gemeinsamer Nutzung, die nach alter Ordnung und überlieferten Satzungen betrieben wurde. Seit Ende des 18. Jahrhunderts, insbesondere seit dem vom Fürsten verfügten Bruch mit der überkommenen wirtschaftlichen und politi- schen Ordnung wurde immer mehr gemeinsames Weideland entweder ins Privateigentum oder zur privaten Nutzung ausgeteilt. 1843 wurde das Atzungsrecht auf sämtlichem Privatboden und auf allen Gemeinde- gütern aufgehoben. Die Waldweide musste von der Obrigkeit im Inte- resse der Forstwirtschaft auch eingeschränkt oder beseitigt werden.94 Das allen Bürgern zur Verfügung stehende Weideland war somit für den einzelnen Viehbesitzer geschmälert worden. Der arme Bürger mit sehr wenig eigenem Boden hatte zwar im ausgeteilten und nachher urbarisierten Gemeindeland eine Ernährungsbasis erhalten, konnte aber meistens nur noch Kleinvieh halten, da die Gemeindeweide nicht mehr genügend oder überhaupt nicht mehr zur Verfügung stand. Auch der etwas besser gestellte Bauer war in eine ähnliche, zunächst von den meisten schlecht beurteilte Lage geraten. Der liechtensteinische Bauer musste umdenken und sich von einer jahrhundertealten Wirtschafts- methode trennen, was ihm anfänglich nicht leicht fiel. Die Behörden stiessen mit ihren Änderungen und Neuerungen auf den Widerstand der Mehrheit der Bürger, die sich erst allmählich mit der neuen Lage abfinden konnten. Die gemeinsam genutzte Weidefläche war zwar beträchtlich ge- schmälert, dafür aber hatte der Bauer ansehnliche Grundstücke zur 94 Vgl. unten, S. 214 - 224. 177
	        

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