Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1972) (72)

sich die Landwirte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der neuen Fruchtwechselwirtschaft zu. — Der Ackerbau spielte während des ganzen Jahrhunderts nur eine zweitrangige Rolle und diente ledig- lich zur Deckung des Nahrungsmittelbedarfs der Bevölkerung. Aber selbst dazu war er nie voll in der Lage.29 Getreide und Hafer mussten immer eingeführt werden.30 Durch die Ausdehnung der Anbauflächen auf früheres Weidegebiet und insbesondere durch den eingeführten Kartoffelanbau konnten allerdings die dringlichsten Nahrüngsbedürf- nisse befriedigt und eigentliche Hungersnöte verhindert werden. Wenn man sich die gleichzeitig stark wachsende Bevölkerung vor Augen hält, ist diese Tatsache nicht hoch genug einzuschätzen; sie zeugt von einer bedeutenden Produktionssteigerung auf dem Agrarsektor. Ein Hauptproblem der Landwirtschaft war lange Zeit die Düngung. Stallmist und Jauche waren die einzigen Düngemittel. Da wegen der geringen Fläche der guten Heuwiesen und des ursprünglich völlig feh- lenden Futterbaus der Viehstand relativ klein war und in schlechten Erntejahren aus Futtermangel gar noch stark dezimiert werden musste, fehlte es meistens an genügend Dünger.31 Diese Tatsache hemmte auch die Urbarisierung der zu Ackerland ausgeteilten Gemeindeweiden. Landvogt Schuppler bemerkte, «dass die wenigsten die schon urbar gemachten Stücke zu bedungen vermögen. Ohne Düngnung würde jede Arbeit vergeblich seyn.»32 Dazu kam noch, dass die Bauernhöfe oft gar keine Jauchekästen hatten, und die Jauche unverwertet auf die Strasse abfloss.33 Wegen der erfolgten Trattaufhebung konnte der Bauer die bisher «einmädigen Wiesen» zweimal abernten.34 Die Gemeinheiten- teilung führte zur Vergrösserung der Heuwiesenfläche. Schliesslich be- gann der Landwirt schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit dem Futteranbau (Klee).35 All diese Neuerungen ermöglichten eine ver- 29 LRA LBS, S. 31; LRA NR 89/18, 30. Okt. 1835. Bericht des OA über ein zu schaffendes «Kulturgesetz». 30 LRA 1871/Nr. 1211. Statistische Tabelle. 27. Dez. 1871. 31 Im benachbarten Vorarlberg erfolgte wegen des zu kleinen Viehstandes nur alle zwei bis drei Jahre eine Düngung der Felder. (Joh. Jakob Staffier, Tirol und Vorarlberg, statistisch und topographisch mit geschichtlichen Bemerkungen, !. Teil. Innsbruck 1839). 32 LRA LBS, S. 170. 33 1886 beschloss der landwirtschaftliche Verein, eine Petition an die Regie- rung zu richten, dass diese bei Neubauten die Erstellung von Jauchekästen obligatorisch mache. Bei Altbauten sollte auch auf die Erstellung von Jauchekästen gedrungen werden. (Landw. Verein, Jahresbericht 1886/87, Buchs 1887, S. 6 und 9). 34 Der Viehtrieb bis Ende Mai hatte eine zweite Ernte unmöglich gemacht. 35 Auch der aufkommende Futteranbau lag in direktem Zusammenhang mit der allgemeinen Aufhebung des Atzungsrechtes im Jahre 1843. Seit 1885 bemühte sich vor allem der Landwirtschaftliche Verein um einen vermehr- ten Futteranbau in Liechtenstein. — «Liechtensteiner Volksblatt», Nr. 39, 25. Sept. 1885. «Über die Nothwendigkeit des Überganges vom Ackerbau zum Futteranbau», Referat von Lehrer Ritter. 167
	        

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