Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1972) (72)

In der benachbarten Schweiz hatten schon die erste helvetische Ver- fassung vom 12. April 1798 und die Verfassung vom 2. Juli 1802 das Recht der Ablösung sämtlicher Grundlasten, insbesondere die Loskäuf- lichkeit vom Zehnten garantiert. In der Folge waren in verschiedenen Kantonen Zehntloskaufsgesetze entstanden.172 Der Zehnt war im aus- gehenden 18. Jahrhundert im Volksmund zu einer ungerechten Abgabe geworden, für die die französische Revolution nur Spott und Hohn be- sass und das Landvolk zur Beseitigung des verhassten Zehnten aufrief. In Liechtenstein waren um die Jahrhundertwende zaghafte Anfänge einer Zehntverweigerung vorhanden.173 Während der Unruhen von 1831/32 kam es erneut zu Anständen zwischen Zehntherren und zehnt- pflichtigen Bürgern.174 Seit den 30-er Jahren hatten sich Pfarrherren immer wieder beklagt, dass der Zehnt verschiedentlich nicht mehr be- zahlt werde. Am 26. Oktober 1843 fasste der Fürst eine Resolution be- züglich Befreiung und Bezügen beim Novalzehnt.175 Danach sollte der Novalzehnt von Grundstücken, die dem Rhein durch Schutzbauten ab- gerungen wurden, «nach genommener erster Frucht» erst in 10 Jahren zur Hälfte und in weiteren 5 Jahren voll entrichtet werden. Bei ent- wässerten oder den Rüfen abgenommenen Böden sollte der Novalzehnt ebenso erst nach 8 bzw. nach 4, bzw. weiteren 2 Jahren geleistet wer- den. Schliesslich wurde das Oberamt angewiesen, einen ausführlichen Bericht über das Zehntwesen in Liechtenstein zu verfassen.176 Schon damals wurde also eine Zehntablösung von der Obrigkeit ins Auge gefasst. 172 Vgl. Rudolf Böppli, Die Zehntablösung in der Schweiz, speziell im Kanton Zürich, Diss. Zürich 1914. 173 Davon zeugt unter anderem ein Streit in der Pfarrgemeinde Eschen, wo einige Bürger den Kleinzehnt nicht mehr entrichten wollten. Zehntberech- tigt war hier die Pfarrgemeinde, die den Kleinzehnt schon im 17. Jahr- hundert an sich gebracht hatte. (LRA AR Nr. 31 Fasz. 30/6; 1792/93). 174 So wandte sich Landvogt Pokorny 1832 an das Ortsgericht Schaan, um Zehntanstände einiger Bürger mit dem dortigen Pfarrer zu regeln. (LRA NR 87/4. 15. Oktober 1832). 175 LRA NR 85/71. 26. Oktober 1843. HKW an OA. 176 Die Zehnterhebungsarbeiten wurden aber aus verschiedenen Gründen, hauptsächlich wegen der vielen anderen anstehenden Probleme und der revolutionären Ereignisse, erst 1852 zu einem ersten Abschluss gebracht. Aufgrund des Patents vom 20. Juli 1852 holte das Oberamt bei den liech- tensteinischen Pfarrherren Informationen über das Zehntwesen in den einzelnen Pfarreien ein. (Rechtstitel, auf die sich der Zehntbezug grün- dete; durchschnittlicher Ertrag der Zehnten). Aus den Ausführungen der Pfarrer ist zu entnehmen, dass seit 1846 überall ernsthafte Anstände mit den Bürgern wegen der Zehntzahlungen existierten. (LRA NR 85/71. 15. Juni 1852. RA an Pfarrer von Balzers, Triesen, Vaduz (Kuratie), Schaan und Mauren. 17. Juli 1852, Pfarrer von Triesen; 18. Juni 1852, Kurat von Vaduz; 16. Juni, Schaaner Pfarrer und Maurer Pfarrer; o. D., Balzner Pfarrer an OA). 134
	        

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