Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1972) (72)

immer lebendig geblieben.87 Seit der Karolingerzeit war es aber nicht mehr die Sippe, sondern der Nachbarschaftsverband, in dem sich der Genossenschaftsgedanke konkretisierte. In den zu Dörfern sich aus- weitenden Kleinsiedlungen hatte sich eine weitgehende «gemeindliche» Selbstverwaltung herausgebildet. Vor allem waren es die zahlreichen gemeinschaftlichen Nutzungsrechte an der Mark, d. h. an Wald, Weide und Gewässern (auch die Verpflichtungen zu Anlage und Unterhalt von Wegen und Strassen, Abwehr von Wassergefahr, die Haltung von Zuchttieren und gemeinsamen Hirten etc.) die eine Regelung notwendig machten. Da die einzelnen Ackerstücke, grundherrliches Land, Eigen- güter etc., infolge von Teilungen im Gemenge lagen, war es erforder- lich, die Arbeiten auf dem Felde genossenschaftlich zu regeln. Es ent- stand eine entsprechende Flurordnung, an deren Zustandekommen auch der Grundherr beteiligt war. Durch eine solche Wirtschaftsform, aber auch durch die Zugehörigkeit zu einer Gerichtsherrschaft,88 waren Bauern mit ganz verschiedenen personalrechtlichen Stellungen in einem Genossenschaftsverband gleichberechtigt zusammengeschlossen. «Von hier aus findet auch der so lange ausgefochtene Streit, ob die Markge- nossenschaft und die Allmende freibäuerlichen oder grundherrlichen Ursprungs sei, seine Beantwortung: Sie geht auf beide Wurzeln zu- rück, auf die genossenschaftliche Nutzung der Allfreien an Wald und Weide usw., sowie auf die Übertragung solcher Gemeinheiten seitens der Grundherren an Bauern, auch etwa ursprünglich unfreie Siedler; denn auch diese konnten ja eine bäuerliche Lebensform nur aufrecht- erhalten, wenn sie über solche Nutzungen verfügten, da diese ein nicht zu entbehrender Bestandteil der Bauernhufe waren. Die Marken. .. sind nicht... Überbleibsel eines agrarkommunistischen Urzustandes, sondern sind auf freibäuerlicher und grundherrlicher Basis erst nach und nach entstanden, und zwar parallel zu der Verknappung des Lan- des, die dieses ursprünglich freie Gut zu einem knappen werden Hess und nunmehr Regelungen und Rechtssatzungen erforderlich machte.»89 «Markgenossenschaften» umfassen mehrere Dörfer mit ihren Fluren, Weiden und Waldungen, «Allmenden» ein einzelnes Dorf.90 87 Bei den hier gemachten allgemeinen Ausführungen betr. Markgenossen- schaft und Allmende folge ich: Lütge, Wirtschaftsgeschichte, S. 76 — 79; Derselbe, Agrarverfassung, S. 25 f. 88 Im Rahmen der beiden liechtensteinischen Gerichtsgerneinden der oberen und unteren Landschaft, in denen sich die Volksrechte verkörperten, bilde- ten die Markgenossenschaften und Allmenden die Grundlage der politi- schen Organisation des Bauernstandes. — Vgl. oben, 5!. 74 f. Büchel, Ge- meindenutzen, S. 74 — 76. Wie aus dem Gemeindewesen heraus im Ver- laufe einer jahrhundertelangen Entwicklung ein auf Volksherrschaft be- ruhendes Staatswesen gewachsen ist, zeigt für das Nachbarland Vorarlberg: Stolz, Rechtsgeschichte, S. 77. 89 Lütge, Wirtschaftsgeschichte, S. 77. 90 a.a.O., 78. 108
	        

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