Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1970) (70)

dass die Loyalität von einem Tag auf den andern zurückgekehrt wäre: Die Teuerung hielt an, die Ernten fielen weiterhin-karg aus, die Kapital- knappheit blieb bestehen, die Staatskasse war und blieb leer.130 Die Aufregung war trotz zufriedenstellender politischer Aussichten noch nicht völlig gebannt. Als Ende Juni die deutsche Nationalversammlung einen Reichsverweser wählte, schloss man in Liechtenstein, dass die Vergebung aller Ämter dem Volk zustehe, und liess den Wunsch nach Entfernung der fremden Beamten wieder aufleben, derart, dass neue Willkürakte zu befürchten standen. Diesmal war das Opfer der Amts- schreiber Fridolin Müller,131 dessen Posten man einem Einheimischen zuwenden wollte. Da der Amtsschreiber mit dem Polizeiwesen des Landes betraut war,132 hatte er als «Polizeiminister» eine undankbare Stellung inne. Müller, eine ängstliche Natur; wurde durch überspannte Gerüchte in die grösste Unruhe versetzt, so dass er Urlaub nahm und das Land Hals über Kopf verliess.133 In Wien berichtete er aufgeregt von einer neuerlichen Bewegung im Fürstentum, die teils von der Schweiz, teils von Professor Kaiser in Frankfurt ausgehe; alles spreche sich im Lande entweder für eine eigene Republik oder wenigstens für einen Anschluss an die Schweiz und für Einverleibung in Graubünden 130 In ihrer Adresse vom 22. Mai 1848 sprachen die Ausschüsse von der «jetzt herrschenden allgemeinen grossen Mittellosigkeit im Lande», siehe oben Anm. 125. — Menzinger berichtete am 9. Mai 1848, die Landeskasse sei völlig leer und werde es auch bis zum Herbst bleiben, es sei nichts einzu- bringen; Menzinger an Fürst, 9. Mai 1848, LRA C/3, ad 311. - Ein Ver- gleich der «Schuldbuch-Extracte» bezüglich der rentämtlichen Ausstände Ende 1847 und 1848 ergibt ein aufschlussreiches Bild: Reste allein von 1847 am 31. Dez. 1847: 13'495 fl. 18 er.; von dieser Summe stehen am 31. Dez. 1848 noch aus: 13'491 fl. 44 er. 1 d. ! HK H 1659. - Die Verhältnisse seien «arm und kläglich», schreibt das Regierungsamt am 19. Febr. 1849 an den Fürsten, LRA LXXXII/66. — Drei Jahre später berichtet es wieder- um dem Fürsten, die Verhältnisse seien noch dieselben, ja sie hätten sich durch die «sehr mittelmässigen Ertragsjahre verschlimmert», Geldmittel fehlten allenthalben, 10. Apr. 1852, ebda. - Siehe auch unten S. 162 ff. 131 Fridolin Müller, seit 1832 in fürstlichem Dienst, von 1845 bis 25. Juli 1848 Amtsschreiber zu Vaduz. Gesuch von Müller, 1. Juli 1849, HK 1849/7544; Menzinger an Fürst, 8. Juli 1848, LRA C/3, Nr. 307. 132 Vgl. Quaderer, S. 197. 133 Menzinger an Fürst, 27. Juli 1848, HK 1848/8559 (8332 u. 8333). Müller war bereits zuvor zweimal nach Feldkirch geflohen. 87.
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.