Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1970) (70)

ven Politik zog er sich weitgehend zurück. Seine Mahnungen in den letzten Jahren der Monarchie, die Verfassung des Vielvölkerstaates im Sinne nationaler Autonomien umzugestalten, verhallten ungehört. Schwer traf ihn der Zusammenbruch der Monarchie. Am Tage des Waf- fenstillstandes am 3. November 1918 legte er alle seine Ämter zurück, auch seine Stelle als Chef der Partei. Als seine Partei, die Christlichsoziale, die schwere Verantwortung für den Wiederaufbau des kleinen österreichischen Reststaates übernahm, ist Prinz Aloys nicht mehr dabei. Nur in seiner Zeitschrift «Neues Reich» liest man noch seine zwar scharfe,- doch überlegene Zeitkritik. So steht dieser Mann, wie Hermann Bahr schreibt, nunmehr «im milden Abendlicht des Weisen da» und er mag diese Bezeichnung wohl verdienen, da er die Entwicklung der sozialen Frage auf ein Menschenalter vorausgesehen hat. Befriedigung mag er wohl nicht ge- funden haben, noch zu erleben, wie seine vorausschauenden Worte vollumfänglich eingetreten sind, als nämlich die Masse der österreichi- schen Arbeiterschaft fast zur Gänze den bürgerlichen Parteien verloren ging und zur Sozialdemokratie abwanderte. Die traurige Erfüllung seiner ebenfalls prophetischen Worte hat er nicht mehr erlebt, die er beim Abschluss des Friedensvertrages am 2. November 1919 schrieb: «Die Welt sehnt sich nach Ruhe, aber die Keime der nächsten blutigen Konflikte, spriessen allenthalben hervor. Jedes Menschen werk ist un- vollkommen, aber am gebrechlichsten ein solches, welches der Hass unerbittlicher Sieger den Besiegten schonungslos diktiert hat.» Aloys Liechtenstein starb am 25. März 1920, am Eröffnungstage des Wiener Katholikentages. Leider sind die Versuche, Prinz Aloys Liechtensteins Biographie zu schreiben und seine Reden und Schriften herauszugeben, schon in den Anfängen stecken geblieben. Lediglich in der Sammlung «Neue Öster- reichische Biographie ab 1815» im Amalthena-Verlag ist ein Beitrag über ihn, verfasst von Dr. Erika Weinzierl, erschienen. Dies ist bedauerlich, denn, mag auch sein Lebenswerk durch den Untergang der Österreich- Ungarischen Monarchie grösstenteils seines Sinnes beraubt sein, so be- weist doch gerade die Geschichte Österreichs und Europas in der Zwi- schenkriegszeit wie recht dieser aussergewöhnliche Mann in der Beurtei- lung der politischen und sozialen Entwicklung hatte. Der 50igste Jahres- tag seines Todes mag daher wohl Anlass sein, sich seiner zu erinnern. 522
	        

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