Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1970) (70)

rend der ersten fünf Jahre traten die beiden liechtensteinischen Re- gierungsmitglieder und der Landesverweser regelmässig alle ein bis zwei Monate zusammen, berieten und beschlössen in allen wichtigen Angelegenheiten im Kollegium. Die Landeszeitung erblickte darin mit Stolz ein wesentliches Moment der «Selbstregierung».233 Anfänglich wurde Landesverweser von Hausen sogar in einigen Fällen von den beiden Regierungsmitgliedern überstimmt.234 Bald gingen aber diese Sitzungen auffallend zurück, in einzelnen Jahren fand nur eine oder gar keine Sitzung mehr statt, und in gleicher Weise nahm die Zahl der dabei jährlich erledigten Geschäfte bis auf weniger als ein Drittel der anfänglichen Anzahl ab. Daraus lässt sich mit einiger Vorsicht schlies- sen, dass die Beteiligung der beiden Landräte an der Regierung erheb- lich geringer wurde.235 Nun schufen allerdings von Hausens diplomatisches Geschick und seine überragende Sachkenntnis im Anfang eine natürliche Autorität. Diese erstarrte aber unter seinen Nachfolgern und liess das alte Unter- tanenverhältnis zwischen Landesverweser und Bürger wieder aufleben. Das Regierung und Volk gemeinsam tragende Bewusstsein des Neuen, «die Freude der Urheberschaft an der fröhlichen Entwicklung unserer Zustände»,236 schwand. Die sich gegen,Ende des 19. Jahrhunderts mehr und mehr ausbauende Macht des Landesverwesers war in der Verfas- sung und in der Amtsinstruktion von 1862 zwar schon angelegt, doch weder von den liechtensteinischen Verfassungsschöpfern, noch vom Fürsten so beabsichtigt worden.237 Diese Rückentwicklung brachte das Volk allmählich in Opposition zur Regierung und sollte schliesslich nach dem Ersten Weltkrieg eine Neuordnung erzwingen. 233 Landeszeitung, 7. Nov. 1863, Nr. 19, S. 74. 234 Protokolle der Regierungssitzungen 1862 - 1884, LRA. 235 Ebda. Möglicherweise waltete freilich auf Seiten der Landräte selber eine wachsende Passivität vor. — Vgl. auch Spillmann, S. 14 f., 36 f. 236 Huldigungsadresse des Landtages an den Fürsten, 18. Juli 1866, Landes- zeitung 1866, Nr. 18, S. 70. 237 Diese unbeabsichtigte und unerwartete Entwicklung der Verfassungs- wirklichkeit erinnert an den klassischen Fall des Wandels in der Stellung des amerikanischen Präsidenten im Verhältnis zur Federal Constitution von 1789. 332
	        

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