Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1970) (70)

Im Schulwesen ging es darum, den geistlichen Kompetenzbereich zu umgrenzen. Bisher lag in der'Praxis die Aufsicht über das Schul- wesen nahezu gänzlich in den Händen der Geistlichkeit. Neue Schul- bücher etwa wurden dem geistlichen Schulenoberinspektor zur Prüfung vorgelegt, «um sicher zu seyn, dass sie nichts gegen die Grundsätze der katholischen Kirche Widriges enthalten».89 Der anfangs 1858 einge- reichte Schulgesetzentwurf war zwar vom Regierungsamt ausgearbeitet, aber auch Wolfinger zur Kontrolle vorgelegt worden.90 In der Zehntfrage, welche die Geistlichkeit in ihrem materiellen Lebensnerv berührte, galt es, einen Ersatz für den Unterhalt der Geist- lichen zu finden. Den wichtigsten Punkt stellte aber die vom'Fürsten unabhängige Stellung des Bischofs, vor allem dessen nahezu uneingeschränkte Ober- gewalt über die liechtensteinischen Geistlichen dar. Der Landesvikar91 war nur Vertreter des Bischofs, nicht aber umgekehrt der Geistlichen gegenüber dem Bischof. Menzinger zeigte sich gegenüber der «Indepen- denz» des Bischofs um Bewahrung der fürstlichen Souveränitätsrechte besorgt: «Je ungebundener der Bischof dem Staate gegenüber dasteht, umsoweniger dürfen dem Landesfürsten in seiner allgemeinen und obersten Aufsicht Hemmnisse entgegengestellt werden.»92 Die Ober- aufsicht eines landesfremden geistlichen Würdenträgers .in wichtigsten Landesangelegenheiten erschien als eine Anmassung und die Tatsache, dass Liechtensteiner in kirchlichen Rechtsfällen im Ausland Recht su- chen mussten, als unvereinbar mit den Prärogativen der Souveränität und als «unnormaler Zustand». Daher forderte Menzinger für das Kon- kordat, dass der Schulenoberinspektor vom Fürsten ernannt werde, dass die Geistlichkeit selber einen vom Bischof nur mittelbar abhängigen Dekan bestimmen und aus diesem mit zwei weiteren Geistlichen ein liechtensteinisches geistliches Gericht bilden sollte und dass endlich der Bischof gegenüber dem Fürsten eine Art von Loyalitätserklärung abzulegen hätte.93 Das letztere hätte auch dem österreichischen Kon- 89 Siehe oben Anm. 82, Auskünfte. 90 Ebda. - Vgl. Martin, S. 71. 91 Seit 1819, vgl. Quaderer, S. 124. 92. Siehe oben Anm. 82, Auskünfte. 93 Ebda. 232
	        

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