Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1970) (70)

Liechtenstein befand sich nun in einem eigenartigen Verfassungs- zustand: Indem der Fürst mit den Übergangsbestimmungen den we- sentlichsten Teil der vom Volk selber geschaffenen Verfassung in Ge- brauch gab und damit ein konstitutionelles System in Funktion setzte, verliess er die landständische, faktisch absolutistische Regierungsform, suspendierte die landständische Verfassung von 1818 und leitete eine konstitutionelle Periode ein. Das Ganze war freilich ein Provisorium, das der Fürst wieder zurücknehmen konnte; er war noch im vollen Besitz des 'pouvoir constituant', wenn er auch den Grundsatz der glei- chen Beteiligung des Volkes daran ausdrücklich anerkannte. Man kann daher den durch die Übergangsbestimmungen geschaffenen Verfas- sungszustand Liechtensteins nach dem 7. März 1849 als ein noch nicht gesichertes und nicht voll ausgebautes konstitutionelles System be- zeichnen. Liechtenstein stand noch im Ubergang vom Spätabsolutismus zum Konstitutionalismus oder — sollte es nach dem Willen des liech- tensteinischen Verfassungsrates gehen — sogar zum parlamentarischen System hin. Bei der Kundmachung des fürstlichen Erlasses benützte der Landes- verweser die Gelegenheit, den Liechtensteinern die «strenge. Aufrecht- erhaltung der Ordnung und Handhabung des Rechts und der Gesetze» ans Herz zu legen, damit sie sich «einer so freisinnigen Verfassung» und eines so wohlwollenden Fürsten würdig zeigten.117 Menzinger be- trachtete die Übergangsbestimmungen zusammen mit der fürstlichen Zustimmung zu den wichtigsten Artikeln des Entwurfs also durchaus als eine Verfassung. Die Bevölkerung nahm sie auch als solche mit dankbarer Freude auf, das Provisorium fand Verständnis.118 Niemand zweifelte, dass es in Bälde von der definitiven Verfassung abgelöst 117 Menzinger an alle Gemeindevorsteher, 26. Apr. 1849, LRA C/3, ad 125. - Am 10. März 1848 hatte der Fürst noch die Bedingungen für die Ablösung der Laudemien und der Grundzinse erleichtert, HK 1863/10370 (1849/3109); Kopie im LRA C/3, Nr. 3109. 118 Vgl. Karl Schädler an Menzinger, 24. März 1849, LRA C. Die Gemeinde- vertreter,, die Menzinger zur Besprechung und Durchführung der Über- gangsbestimmungen nach Vaduz bestellt hatte, beschlossen, dem Fürsten eine Dankadresse «für die so gnädige Beurtheilung des Verfassungsent- wurfes» zu widmen; Menzinger an Fürst, 25. Mai 1849, HK 1863/10370 (1849/6172)'. 123
	        

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