Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1970) (70)

theorie des deutschen Liberalismus im 19. Jahrhundert.64 Mit dem Dua- lismus von Fürst und Volk entfiel aber auch die einseitige Zuständig- keitsvermutung, nach welcher im konstitutionellen System die ver- fassungsmässigen Rechte der Volksvertretung einschränkend, jene des Landesherrn ausdehnend zu interpretieren waren. Der liechtensteini- sche Verfassungsentwurf ging noch weiter, indem er der Volksvertre- tung geradezu ein Übergewicht verlieh. Dies entsprach der parlamen- tarisch-liberalen Richtung in Deutschland, deren bedeutendster Ver- treter, Rotteck,05 ja in der Tat Peter Kaisers Lehrer gewesen war.00 Das Ziel des Entwurfs war denn auch die parlamentarische Monarchie. Dem schien zwar § 3 zu widersprechen: «Die Regierungsform dieses Fürsten- thums ist die monarchisch-konstitutionelle,. und der Landesherr (ist) konstitutioneller Fürst.» Indessen verstand die liberale Verfassungsbe- wegung in Deutschland bis zur Märzrevolution unter einem «konstitu- tionellen» Staat — einem Verfassungsstaat — nicht das System des monarchischen Prinzips, sondern nach westeuropäischem Vorbild das parlamentarische System, im Grunde die Parlamentsherrschaft.07 Die einzelnen Bestimmungen des liechtensteinischen Entwurfs zeigen, dass dieser dem gleichen Geiste entsprang. Schon der Umstand, dass eine Präambel fehlte, in welcher sonst Gottesgnadentum und verfassunggebende Gewalt des Fürsten bekräftigt wurden, weist auf das veränderte Verhältnis hin: Die Verfassung sollte offensichtlich vom Volk und vom Fürsten gemeinsam ausgehen. So würde sie auch erst in Kraft treten, wenn sie vom Fürsten und von der neuen Volksvertretung angenommen wäre. Die Teilung in drei Gewal- ten war durchgeführt, wenn auch erst grob: Der Fürst sollte erbliches, unverletzliches und unverantwortliches Staatsoberhaupt, Repräsentant nach aussen und mit dem Vertretungs- recht beim Deutschen Bund, dem Verfügungsrecht über das Kontingent und dem Begnadigungs- und Strafmilderungsrecht ausgestattet sein. Er sollte die «Vollziehungsgewalt» innehaben und 'durch den von ihm ernannten Landesverweser ausüben lassen. Der Landesverweser würde 64 Vgl. Huber II, S. 377, 405. 65 Ebda., S. 398. 66 Siehe oben S. 43. 67 Vgl. Huber III, S. 7 f. 109
	        

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