Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1970) (70)

Während nämlich Peter Kaiser und auch die übrigen Verfassungs- projekte nur eine einzige Kammer vorsahen, weil alle Voraussetzun- gen zu einer Unterteilung fehlten, wollte Oehri gleichwohl künstlich zwei Kammern schaffen, wie sie in den grösseren Staaten bestanden. Bei dem Mangel an «Gesetzkenntniss, Bildung und Einsicht», den er vom Landrat erwartete, würde eine doppelte Beratung übereilte Gesetze verhindern. Die untere Kammer entsprach dem frei gewählten Landrat bei Kaiser, die obere aber sollte aus erfahrenen, gebildeten und um das Land verdienten Männern zusammengesetzt werden, bei Mitglied- schaft auf Lebenszeit — also eine Art House of Lords oder Chambre des pairs. Die Zuerkennung der Sitze hätte möglichst durch den Landrat, den Landesverweser und den Fürsten gemeinsam stattfinden sollen.42 Oehri verneinte nicht etwa die allgemein geforderten Volksrechte gegenüber einer starken Autorität.43 Aber er strebte eine ausgegliche- nere Balance zwischen Fürst und Volk und zwischen zentraler Ver- waltung und landschaftlich-kommunaler Selbstverwaltung an. Die Ge- meinden sollten nicht ganz dem Einfluss der Regierung entzogen sein, die Landschaften nicht noch eine eigene Zwischenverwaltung bilden. Ausser dem Fürsten und dem deutschen Staatenbund sollte das Land ' keine Behörden ausser Landes kennen. Auch die kirchlichen Belange sollten, sofern sie nicht rein kirchlicher Natur waren, im Lande selber bestimmt werden; so sollten Land und Fürst allein die Pfarrer bestellen. In der Wahlrechtsfrage zeigte sich Oehri eher skeptisch gegenüber einem niedrigen Wahlalter. Hingegen sollte das Wahlrecht auf alle sozialen Schichten ausgedehnt werden, ohne Rücksicht auf die Besitz- verhältnisse. Die stärkere soziale Komponente in Oehris Denken er- scheint in seiner Vorsorge für das Gesundheits-, Fürsorge-, Bildungs-. und Pensionswesen. 42 Bemerkungen, • siehe oben Anm. 34. Im Entwurf vom Herbst 1848 setzte Oehri die obere Kammer dann etwas anders zusammen, nämlich aus je einem von jeder Landschaft gewählten Rat, den beiden Landrichtern, dem von der Geistlichkeit gewählten Dekan, dem Bürgermeister von Vaduz und allfälligen pensionierten Landrichtern; das Alter für die obere Kammer legte er mit 30 Jahren fest; siehe oben Anm. 35. In den Bemerkungen zu • Kaisers Entwurf setzte er das Alter für die Mitglieder der oberen Kammer auf 40 Jahre an, siehe oben Anm. 34. 104
	        

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