Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1969) (69)

Auf dem Wiener Kongress wurde die deutsche Kirchenfrage nicht behandelt. Die deutschen Mittelstaaten wollten die Neugestaltung der Kirchenfragen selbst in die Hand nehmen, kraft ihrer Souveränität und ihres landesherrlichen Machtanspruchs.20 Die Bundesakte enthielt le- diglich eine Bestimmung in Art. 16, wonach die verschiedenen christ- lichen Religionen in den bürgerlichen und politischen Rechten gleich zu behandeln waren.21 Die Folge davon war, dass das gesamte Staats- kirchenrecht in die ausschliessliche Zuständigkeit der deutschen Einzel- staaten fiel, wodurch mit der Konkordatsära zwischen 1817 und 1827 das System der vertragsgesicherten, staatsgebundenen Kirche entstand.22 In Liechtenstein trat nach dem Beitritt zum Deutschen Bund keine wesentliche Änderung des Verhältnisses Kirche — Staat ein. Das Ober- amt überwachte sorgfältig alle Schritte, die von der Geistlichkeit unter- nommen wurden und versuchte dauernd, den Einfluss des Klerus zu mindern und seine Rechte zu beschneiden. Kompetenzstreitigkeiten waren infolgedessen unvermeidlich. Das Oberamt versuchte besonders bei den Pfarrbesetzungen Einfluss zu gewinnen, indem es verlangte, dass bei der Besetzung aller Pfarrstellen die obrigkeitliche Genehmi- gung eingeholt werde.23 Aus seinem josefinischen, staatskirchlichen Denken heraus glaubte Schuppler sich auch berechtigt, in geistlichen Angelegenheiten Verord- nungen erlassen zu können. So bestimmte er 1823, dass uneheliche Kinder und solche von Vaganten nur mit obrigkeitlicher Erlaubnis ge- tauft werden dürften.24 Schuppler befürchtete, dass aus der Taufe ein bürgerliches Recht der politischen Zugehörigkeit abgeleitet werden könnte.25 Der Bischof von Chur protestierte dagegen und verlangte, dass alle Kinder, auch solche von Personen, die keinen festen Wohn- sitz in Liechtenstein besassen, zu taufen seien.26 Schuppler Hess sich 20 Raab, 92. 21 Huber, Dokumente, 80; Art. 16 der Bundesakte. 22 Raab, 93. 23 Malin, 63. — Ein besonderes Augenmerk wurde auch auf die «schuli- schen Fähigkeiten» des jeweiligen Kandidaten gelegt. LRA SR O, verschie- dene Akten. 24 Mayer, 619. 25 1. c. 26 LRA SR F 3, 41pol., 7. Febr. 1823; Bischof an OA. 125
	        

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