Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1967) (66)

Nun kommen wir zu einem eigenartigen Liede, bei dem mancher fromme Leser oder Hörer die Stirne kraus ziehen wird. Man muß Humor haben, um sich an derlei Liedern nicht zu ärgern. Wenn ich es trotzdem hier mitteile, so geschieht es, um ein neues Verbreitungs- gebiet des Liedes nachzuweisen und zu den bisher bekannten Texten der guten alten Zeit des Biedermeier eine noch aus lebendem Munde aufgezeichnete Weise zu veröffentlichen. Es handelt sich dabei um ein Lied, in dem wieder einmal der hl. Petrus aufs Korn genommen wird. Dazu einige Fesstellungen. Sankt Peter ist schon bald ein Jahrtausend lang eine Lieblingsfigur deutscher Volksdichtung. Schon lange vor der Reformation machte man sich über ihn ein bisschen lustig. In den alten Osterspielen etwa nach 1100 mußte Petrus am frühen Ostermorgen zum offenen Grabe des Heilandes hinkeri]). Möglich, daß der erste Kleriker, dem diese Rolle zugedacht wurde, von Natur aus einen verkürzten Fuß hatte und des- halb nicht anders konnte. Jedenfalls mußten die späteren Träger der Petrusrolle ebenfalls hinkend mit Johannes zum heiligen Grabe eilen. Auch späterhin mußte der hl. Petrus manches hören, obwohl gewiß niemand spotten wollte. Erst seit dem siegreichen Fortschreiten der Reformation tritt manchmal ein unangenehmer Zwischenton zutage. Wie Hans Sachs mit ihm umsprang, ist hinlänglich bekannt. Mittler- weile hat sich Sankt Peter im Laufe der Jahrhunderte an derartige Sticheleien gewöhnt und tröstet sich mit dem beliebten Sprichwort: Was sich neckt, das liebt sich. Wohin käme die Menschheit, wenn der himmlische Torwart alles tragisch ernst nähme ? Unser Lied findet sich erstmals gedruckt in Aloys Blumauers Ge- dichten.10) Bei diesem Manne, dessen scharfer Witz nicht selten in öde Witzelei ausartete, der als ehemaliger Jesuiten-Novize und späterer Freimaurer sich immer mehr von der gebotenen Ehrfurcht entfernte, kann man kaum für lautere Gesinnung allem Religiösen gegenüber gutstehen. Das ist aber schliesslich nicht das Entscheidende; wesentlich ist, wie sich Sänger und Zuhörer von heute zu derartigen Liedern stellen. Man kann sie singen, ohne etwas Böses zu denken; wer sich aber dabei über mangelnde Ehrfurcht vor Gott und seinen Heiligen ärgert, dem ist nicht gut zu widersprechen. Wenn keine offensichtliche Bosheit vorliegt, tröste ich mich bei derlei Gelegenheiten mit der Feststellung, daß auch die lieben Heiligen einmal Menschen waren und daher nicht 57
	        

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