Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1966) (65)

DIE WILDMANNLI (14,15) Von besonderem Reize sind überall die Erzählungen von den Wild- mannli. Es ist merkwürdig, wie schon der römische Schriftsteller Plinius der Jüngere von zwerghaften Bewohnern der rätischen Alpen schreibt, die in Höhlen wohnen und scheu und schnell sind wie die Gemsen, von deren Milch sie sich nähren. Köstlich ist es auch, wie Nicolin Serer- hard, Pfarrer in Sewis im Prätigau, sich in seinem Werke «Einfalte Delineation aller Gemeinden dreier Bünden» bemüht, den Lesern glaub- haft zu machen, dass Wildmannli wirklich einst gelebt haben, es wäre doch Gott ebenso möglich, wilde wie zahme Menschen zu erschaffen. Diese wilden Leute seien «den anderen Menschen an Gestalt gleich gewesen, doch etwas kürzer und dicker, am ganzen Leib mit Haaren überwachsen, ausgenommen um die Augen und im Angesicht». In älteren Sagen sind die Wildfänggen, besonders in Tirol, von riesenhafter Gestalt und Stärke, und auch der Wilde Mann des Zehn- gerichtebundes ist kräftig und gross. Unsere Sagen kennen das Riesen- geschlecht der Fänggen nicht, die Wildmannli sind (wie übrigens auch die Erdmannli der Innerschweiz und die Goggwärgini des Oberwallis) Zwerggestalten, nicht im Urwald, sondern in Höhlen hoch in der Ein- samkeit der Berge wohnend und von gutmütiger Art. Im Montafon und im Klostertal in Vorarlberg, im Prätigau, Davos, Schanfigg und im Rheinwald, also rund um Rätikon und Silvretta, sind die Sagen unserer Art am häufigsten, und leicht sind Parallelen zu finden: Den Wind fürchten sie, und das ihnen anvertraute Vieh vernach- lässigen die guten Wildmannli, weil sie bei Föhn nicht aus den Höhlen steigen. «Wenn alle Wetter Wetter sind, das ärgste Wetter ist der Wind», heisst es in einem Wildmannlispruch aus Graubünden. Der Beistand in Geburtsnöten durch eine Menschenfrau und der Lohn in Form einer Schürze voll Kohle, die bis auf ein Stück wegge- worfen wird, finden wir in einer Sage auf der Valätscher-Alp im hin- tersten Saviental fast im Wortlaut gleich mit unserer. Dr. Richard Beitl hat auf die weite Verbreitung des Geisterrufes hin- gewiesen, der den Dämon aus der Menschengeminschaft zurückfordert, 141
	        

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