Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1966) (65)

DIE WEISSE JUNGFRAU 151 In Mauren wohnte einmal auf dem Rennhof ein alter Mann. Einmal sass er am Abend in der Stube und ruhte sich aus. Plötzlich fing es im oberen Stockwerk zu rumpeln und zu klopfen an, als drohte etwas einzustürzen. Schliesslich kam jemand die Stiege herab. Eine weiss- gekleidete Jungfrau trat in die Stube. Ohne ein Sterbenswörtchen zu sprechen, schritt sie vor den Spiegel und kämmte ihre langen blonden Haare und flocht sie zu einem wunderbaren Zopfe zusammen. Dann verschwand sie wieder, kam aber noch an manchem Abend. Eine Schaanerin musste öfter am Weiher im Ebenholz vorbei, und manchmal hatte sie Lust, sich an seinem Rande niederzusetzen, aber es liess ihr dort keine Ruhe, sie musste wieder aufstehen. Einmal sah sie genau dort eine weisse Frau stehen, und spielende Kinder sahen sie auch und riefen ihr zu. Da schritt die weisse Frau ganz still auf die Kinder zu und verschwand plötzlich vor ihnen. Ein Mann, dem die Schaanerin von der Erscheinung erzählte, be- stätigte, die weisse Frau schon öfter gesehen zu haben. Unter einer alten Brücke konnte man des Nachts, wenn man darüber ging, manchmal lautes Niesen hören. Einige beherzte Männer wollten der Sache auf den Grund gehen. Vor Mitternacht waren sie auf der Brücke, und wirklich, Schlag zwölf Uhr begann das Niesen. Da fiel es einem ein, «Hilf dir Gott!» zu rufen. Von unten erscholl eine Stimme: «Vergelt's Gott tausendmal!» — und seitdem hörte man das Niesen nie mehr. 
DIE WEISSE FRAU 
152 DER GEIST UNTER DER BRÜCKE 
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