Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1964) (63)

Unter den drei Dutzend Staaten von Deutschland, aus denen dieses mindestens im Jahre 1814 nach dem Friedensschlüsse bestand, befindet sich ein gewisses Fürstentum Liechtenstein, das 2.45 deutsche Meilen im Geviert hält, 5 850 Einwohner zählt, und dreiundfunfzig Mann Bundestruppen stellt; kurz, das einen der winzigsten Teile von den vielen winzigen Teilen bildet, in welche das politische Europa zerfällt. Indem ich meine Geographie, die durch den Ehrgeiz Napoleons nicht wenig durcheinander geworfen worden war, wieder zurechtsuchte, fand ich, dass ich die örtlichkeit aller deutschen Staaten, aller Schwei- zer Kantone und die neueren Einteilungen von Italien recht wohl studiert hatte. Jedermann weiss, wo er San Marino zu suchen hat, und was Monaco betrifft, so bin ich wirklich darin gewesen; doch ver- mittelst keines Studiums, vermöge keiner Nachfrage konnte ich aus- kundschaften, wo dieses Liechtenstein zu finden wäre, obgleich dessen fürstliche Familie, zufolge des Almanac de Gotha, fünfundzwanzig Prinzen und Prinzessinnen zählte. Endlich, nachdem ich ganz Deutsch- land durchstöbert hatte, kam ich zu der Meinung, Liechtenstein liege am Rheine, in nicht geringer Entfernung von eben dem Orte, an welchem ich sass, und müsse mir deutlich im Gesicht sein. Ich befragte deshalb den Führer, allein der hatte nimmer von einem Potentaten gehört, welcher den Titel «König von Liechtenstein» führte. Dann aber wusste er auch nicht, dass der Kaiser von Österreich Gebieter etlicher der fernen Gebirge vor uns war. Er meinte, alles wäre Schweiz, und in der Tat hatte er, was das äussere Ansehen betraf, vollkommen Recht. Bei alldem sah ich mich genötigt, mein örtliches Suchen aufzugeben, und bin zu dieser Stunde über die eigentliche Lage Liechtensteins, obwohl es späterhin den österreichischen Kaiserstaaten einverleibt worden sein soll, noch eben so unwissend als ich es von jeher war. Als wir um die Stirn des Berges herum kamen, indem wir einem Krummpfade nachgingen, verwandelten sich die oft unterbrochen ge- wesene Ansicht des Rheines in einem mehrere Meilen enthaltenden Überblick dieses Stromes. Das Tal öffnete sich auch mehr . . . Mit Widerstreben riss ich mich von dieser entzückenden Stelle los, allein mein Alter hatte mich zu mehreren Malen erinnert, dass wir noch eine weite Strecke zu wandern hätten, bevor wir eine Mahlzeit erreichen könnten . . . ». 169
	        

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