Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1964) (63)

siedeln für die Verbreitung des neuen Gedankengutes sehr viel getan. Es gab mehrere Patres, die keine Angst hatten, das Neue aufzunehmen und es geistig zu verarbeiten. Zu ihnen zählt unser Pater Johannes. Die Aufklärung meinte, durch Vermehrung des blossen Wissens das Glück aller Menschen auf Erden errichten zu können. Deshalb war jie sehr um eine Reform der Schulen bemüht. Die Wirkkraft des Unter- richts wurde sehr hoch eingeschätzt, ja manchmal sogar überschätzt. Die Schule sollte für alle Gebiete des Lebens die Grundlage bilden. Möglichst viele Fächer sollten gepflegt werden. Von Pater Johannes ist uns ein Lehrplan erhalten, der fast alles erfasst, was man sich nur denken kann: alte und neue Sprachen, Geschichte, Kirchengeschichte, Vernunftlehre, Logik, Ethik, natürliche Religion, Staats-, Völker- und Naturrecht1). Auch in religiösen Fragen zeigt sich Pater Johannes als aufkläre- rischer Denker. Er stellt sich ganz natürlich gegen die «radikalen» Aufklärer, die jede Übernatur, also auch die Offenbarung Gottes durch Sein Wort, ablehnen. Er weiss, dass die Lehre von der Offenbarung Gottes im Erziehungsplan einer christlichen Schule nicht fehlen darf. Und doch versucht er immer wieder, ein Gleichgewicht zu schaffen zwischen Natur und Vernunft einerseits und Offenbarung andererseits. Ganz im Sinne der Aufklärung handelt er, wenn er gegen die damalige katholische Theologie loszieht, die sich in eitlen Zänkereien und wert- losen Distinktionen erschöpfte. So schreibt er an einem Ort: «Der geneigte Leser muss immer gedenken, dass ich der Scholastik eben nicht sonders günstig bin: allein ich bin gänzlich überzeugt, dass der- gleichen Schriften und Lehrmethode unendlich zweckmässiger sind (er meint die Lektüre der Hl. Schrift; das sei viel wichtiger für einen Christen als dogmatische Düfteleien !), wahre Gottesgelehrte zu bilden, als tausend Folianten, welche uns weiter nichts als trockene spekula- tive Questionen, Kasis, Zänkereyen, oder auch gelehrte Streitfragen aus der Geschichte, Kritik und Erudition anführen. Diese letztere ver- werfe ich zwar nicht; aber sie verdienen erst Platz, wenn der Theolog schon in dem Wesen der Religion gebildet ist. Welch ein Glück für die Kirche, die Religion, dem Staate, wenn alle ungeheure Schul- folianten mit ihrem ganzen Innhalte in das Nichts, aus welchem sie ') «Wochenschrift», S. 91-95. 160
	        

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