Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1961) (61)

- 189 — Mein theuerster Vater ! We nn ich Ihnen nicht schon längst geschrieben habe, so war nicht so sehr Mangel an dazu nöthiger Zeit, als Mangel an ungestörter Müsse schuld, indem meine Beschäftigung sich als eine sehr verschieden- artige gestaltet hat. Es ist darin ein Fortschritt zum Bessern in meinen Verhältnissen nicht zu verkennen, — weniger im Materiellen, als in der Art meiner Beschäftigung — brauche ich doch nur wenige Privat- stunden mehr zu geben. Besonders wohlthätig ist für mich dadurch, dass ich meine Brust weniger anzustrengen brauche. Bisher war meine Stellung am Theater sehr angenehm, und — was Viel werth ist — sind sämtliche Leute, mit denen ich dort zu thun habe, sehr für mich eingenommen. Ich habe gewöhnlich von früh 10 —12 oder 1 Uhr Theaterproben zu halten und etwa 1 oder 2 mal wöchentlich die Musik hinter der Scene Abends zu dirigiren — oft habe ich gleich mehrere Tage hintereinander frei, was gewiss auch angenehm ist. — Maly hat durch Lisi's Briefkanal erfahren, dass es Ihnen gerade nicht beson- ders lieb sei, dass ich zur Bühne gegangen. Ich kann mir keinen stichhaltigen Grund dafür denken. Sollten Sie vielleicht aus Gründen der Moral dagegen sein, so kann ich Ihnen die Versicherung geben, dass nirgends ein anständigerer Ton herrscht, als gerade bei der Bühne und sich die Sache vom Parterre aus weit schlimmer ausnimmt als sie ist — und was die decolletirten Frauentoiletten anbetrifft, so ist es doch besser und ungefährlicher, wenn man an sie gewöhnt ist, als wenn nicht. Doch glaube ich Sie «pfui» sagen zu hören, und damit genug. Das Schauspiel von Calderon1'5), zu dem ich die Musik ge- schrieben, wird bis Mitte Fastenzeit das Licht der Lampen erblicken — bis dann Näheres. — Da Sie wünschten, dass Maly noch länger bei mir bleiben solle, habe ich diess zugestanden, wurde aber von meinem Hausherrn wie- der um 15 Gulden gesteigert. Die Nahrung kommt mich jetzt mit dem nach der Höhe des Miethzinses berechneten Armengelde und Treppen- putzenlassen auf 200 fl. — In der Stadt selbst wäre keine anständige unter dem doppelten Betrag zu haben, so sehr wird Alles hier gross- städtisch. Im Verhältniss sind die Preise alles Übrigen, zum Leben Nothwendigen.
	        

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