- 173 - Theuerste Eltern ! Ich habe Ihnen diessmal wie gewöhnlich nur wenig mitzutheilen, jedoch ist diess wenige etwas werth. Es macht mir Freude, Ihnen mit- theilen zu können, dass ich Sonntag den lten Mai zum Professor am Conservatorium für Musik ernannt wurde. Ich wurde zu meiner gros- sen Genugtuung von Hm. Director Hauser beim Kgl. Ministerium des Innern vorgeschlagen ! Hr. Hauser lud mich durch einen sehr freund- schaftl. Brief vor 3 Wochen ein, Abends zu ihm zum Tee zu kommen. Dort sagte er mir im Vertrauen, dass (da die Stelle eines Ciavier- professors am Conservatorium erledigt sei,) er mich zur selben vor- schlagen wolle, wenn ich sie noch annehme — worauf ich natürlich einging. Heut früh wurde ich zur Eidesleistung gerufen, erhielt das Decret als Professor mit 300 fl Gehalt und begann schon die Unterrichts- stunden zu geben. Morgen früh reist Hr. Hauser, wie er mir heute früh sagte, nach Karlsbad. (Wenn er wieder mit Hr. Griss von Feldkirch zusammen- trifft, kann er ihm sagen, «dass doch etwas daraus geworden ist!») Ich habe am Conservatorium täglich 2 Va Stunden zu geben, (von Va 11 bis 1 Uhr.) grösstentheils Frauenzimmern. Dieses Alles in grösster Eile. Sie, Theuerste Eltern ! befinden sich hoffentlich wohl? Ist Peter in Weesen oder in Vaduz? Mir geht es, wie gesagt, gut. Im Mai soll ich dem Toni und David noch schreiben, welche ich in- dessen grüssen lasse, sowie alle Bekannte. Indem ich von Ihnen, Bester Vater ! bald einen Brief erwarte, ver- bleibe ich Ihr dankbarster Sohn G. J. Rheinberger, Professor am kgl. Conservatorium f. M. München, 2. Mai 1859.