Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1953) (53)

— 72 — Neben aufklärerischen Anschauungen förderten neue Staats- ideen das Schulwesen: der Staat sollte nicht nur ein Rechtsinstitut, sondern auch eine Kulturgemeinschaft sein. Der neue Staatsgedanke stand in enger Beziehung zum Bildungsgedanken,5 und indem der Staat die Schulung seiner Bürger übernahm, musste notwendig eine zentralisierte Einheitsschule entstehen. Ferner lenkte der Physio- kratismus mit seiner schwärmerischen Verehrung für den Bauern- stand, der sich auch Fürst Johann nicht entziehen konnte, die Auf- merksamkeit der Obrigkeit auf den Landmann hin, um dessen Schu- lung man sich nun ernstlich bemühte.6 In den Nachbarstaaten setzte sich die Obrigkeit unter dem Einfluss dieser Ideen für die Schule ein.7 Doch bestand das Bil- dungsziel nicht mehr so sehr in der religiösen Durchbildung des jungen Christen und in seiner Formung zu einem dienenden Glied in Kirche, Gesellschaft und Heimat, als vielmehr in der Erziehung zu einem nützlichen Glied des Staates, zu einem glückseligen, auto- nomen und diesseitsgerichteten Menschen, dessen Wille vernehmlich Prinzip aller moralischen Gesetze und Verpflichtungen war. Die neuen Bildungsideäle fanden nicht überall ungeteilte Auf- nahme. Auch in Liechtenstein stand ihnen die bäuerliche Bevölke- rung oft feindlich gegenüber. Mangelndes Bedürfnis nach Schule und Bildung gestaltete dem Landmann die Schule keineswegs zu einer angenehmen Einrichtung, besonders dann nicht, wenn Arbeit auf dem Feld den Einsatz der schulpflichtigen Jugend erforderte. Dem aber stand das Obligatorium des Unterrichtes entgegen. Und wenn Pflicht an Stelle der Freiwilligkeit tritt, wird das anfänglich als drückend empfunden. Wo immer die Obrigkeit ihren Willen durch' setzen wollte, erhob sich auf diese Weise Hindernis auf Hindernis: Der Mangel an gebildeten Lehrern, Mangel an Erfahrung, keine Schulräume, keine Unterrichtsmaterialien, wenig Geld und vor al- lem wenig Liebe zur Schule wirkten hemmend. 5. Schnabel I, 410. 6. Hug, 172; Criste, 154. 7. Schnabel I, 421 ff.; Hantsch II, 200 f."; R. Luginbübl, Philipp A. Stapfer. Minister der Künste und Wissenschaften, Basel 1902.
	        

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