Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1950) (50)

— 76 — Für die Leser des Jahrbuches, besonders aus unserer Gegend, scheint mir eine zusätzliche Bemerkung über die „Fertigarbeiten in Stickerei" angebracht. Es fehlt uns einerseits besonders hierherum vielfach die nähere Beziehung zu dieser Kunstäußerung, wenn wir von deren Verwendung bei kirchlichen Gewändern absehen. Es gab Zeiten und ist im Süden und Osten unseres Kontinentes heute noch so, daß ein Teppich sogut an die Wand, — nicht nur auf den Fußboden — gehört wie heute ein Bild. Dabei war das Interesse für eine gute Arbeit der Nadel so rege wie heute für eine gute Malerei. Dadurch bildete sich ein allgemeineres, feineres Verständ- nis für diese Kunstart. Stickerei ist wesentlich etwas anderes als Malerei und muh von anderen Gesichtspunkten aus beurteilt wer- den. Ihr Wesen ist reine Flächenhaftigkeit, Ornamentalität in Form und Farbe, strenge Gebundenheit an Stoff und Technik ohne die freie Beweglichkeit der Malerei. Es ist daher verständlich, daß die Stickerei im Verhältnis zur Malerei sowohl in Bezug auf kunst- volle Bearbeitung als auch in Bezug auf allgemeine Beachtung immer etwas stiefkindmäßig behandelt wird. Für die Kunst Niggs ist nun die Stickerei etwas Grundlegendes in seiner ganzen Lebensarbeit. Dies Ziel bestimmt oft vom ersten Entwurf an seine Arbeit, und diese kann nur unter solcher Voraussetzung richtig ver- standen werden. Dies brachte es auch mit sich, daß die Entwürfe weniger eine saubere, gepflegte Ausführung erhielten, weil die Reinschrift ja mit der Nadel geschah. Stickerei ist immer mehr als Frauensache angesehen worden, und trotzdem darf es uns nicht be- fremden, daß auch einmal ein Mann sich hinter diese Arbeit setzt. Es gibt immer Käuze, die sich mehr am Absonderlichen begeistern, und ein Kauz, wenn auch ein recht liebwerter, war ja unser Herr Professor schon. Bei ihm lag die Sache allerdings tiefer. Es war nicht so sehr das Ungewöhnliche, das ihn anzog, als vielmehr die innere Veranlagung, die ihn dazu anhielt. Diese innere Veranla- gung werden wir kaum gerecht beurteilen ohne die Voraussetzung, daß wenigstens im Grundgehalt des Psychischen ein gut Teil frau- liche Veranlagung als Erbgut mit in sein Leben gekommen. Es wäre die Aufgabe des erfahrenen Psychanalytikers, das Problem anhand des Werkes im Einzelnen darzulegen. Nigg entwarf nicht nur seine Stickereien, sondern führte sie auch vielfach eigenhändig aus, wo- durch das Werk erst so recht seine ganze Einheit erhielt. Die ge-
	        

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