Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1950) (50)

- 73 - merklich mit höherer Befriedigung. Wir finden Entwürfe, die er Jahre lang hin und her arbeitet, die Einzelfiguren formt, die Komposition neu ordnet, zehnmal und mehr durchgestaltet, bis er endlich die Lösung gelten Iaht. So bearbeitet er beispiels- weise allein den „Englischen Eruh" in rund 70 Blättern und Stickereien. Steht aber einmal die gesuchte Lösung, dann wird sie gewissermaßen mit der Scheere redigiert für den besonderen Zweck: vom Hochformat ins Querformat, von der Bildkomposition ins rein Ornamentale, vom fünffigurigen Entwurf zum dreifiguri- gen, von straffer Anordnung in lockere Streuung, vom Wandbehang zum Meßgewand und von den Hirten an der Krippe zu den hl. Dreikönig, kurz von dem, was er hat, zu dem, was er braucht. Es ist interessant zu sehen, mit welcher Beweglichkeit er mit seinen Figuren umgeht, mit welcher Sicherheit der künstlerischen Wirkung umgesetzt wird, schier wie beim Meister im Schachspiel. Zugegeben, es liegt dieser Gestaltung ein Stücklein Schematismus, meinetwegen auch etwas Manier zugrunde, ja nochmehr, es erweist sogar einen versteckten Mangel an schöpferischer Phantasie; auch „zu verstandes- inähig" werden gewisse Leute ein solches Vorgehen taxieren, — als ob dem Künstler von Berufs wegen jeglicher Verstand abgehen mühte. — Trotz alledem ist es ein seltenes Talent, mit dem einmal erarbeiteten Formengut so haushalten zu können. Verwandt mit dieser Arbeitsweise und der schon früher beton- ten leichten Anpassung an die Formen des Jugendstils finde ich eine andere Eigenart der persönlichen Veranlagung Niggs, — die un- bedenkliche Freiheit in der Uebernahme alter oder moderner- Kom- positionsschemata, ja sogar einzelner Figuren. So finden wir Hodlers Pärallelkompositionen beispielsweise in seinen Törichten Jungfrauen, Dürrers Scherzensmann, das Titelbild zur Kleinen Passion, als Verlorenen Sohn im Elend und so manch anderes. Exotische Bildinspiration, gotische Innigkeit, klassische Abgewogen- heit und moderne Ausdruckskraft, alles klingt bewuht in seinen Blättern an. Zur Kunst Klimts besteht eine wesentliche Beziehung nicht äuherer Art, aber nach der inneren Anlage, freilich auf an- derem Stoffgebiet. Ich weise auf diese besondere Verwandtschaft der Anlage hin, um immerhin ahnen zu lassen, wohin das Talent bei günstigsten Voraussetzungen unsern Künstler hätte entwickeln können. Der hohe Sinn für Fläche, Farbe und dekorative Wirkung
	        

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