— 30 — des Spätmittelalters und der beginnenden Neuzeit." Dazu ist zu sagen, daß
das deutsche Territorium des Spätmittelalters durchaus als Staat zu
betrachten ist, wenn auch als Staat, der des Merk- males der Souveränität entbehrt, da er der suprema votestas des Deutschen Reiches als iibergeordneter Staatsgewalt
unterstellt ist. Durch seine Einfügung in den Reichskörper,
der seit dem Inter- regnum an unheilbarer Schwäche krankte, war jedoch der
Terri- torialswat nur formell gebunden, in Wirklichkeit verfügte er über nahezu unbeschränkte Selbscherrlichkeit.
Souveränität ist ja kein notwendiges Attribut der Staatsgewalt, sondern ein Rechtsbogriff, der
an sich nichts aussagt Wer
das tatsächliche Machtverhältnis zwischen einem souveränen und einem ihm untergeordneten Staats- gebilde. Machtpolitisch gesehen, gewinnen die deutschen Territorien bis ins 17. Jahrhundert immer stärkere Unabhängigkeit vom Reiche, ohne
dich dessen Souveränitätsrechte dadurch ausgehoben worden waren. Trotz seiner nominellen Unterordnung unter das
Reich ist das Territorium der weit vollkommenere Staat als die mit Souve- ränität begabte Reichsgewalt. Denn es übt über den Verband seiner Untertanen die Gerichts-, Finanz- und Militär-Hoheit aus, verfügt über uneingeschränkte Selbstverwaltung und nimmt auch nach außen so gut wie völlige Bewegungsfreiheit in Anspruch, während das Reich, das formell als Obereigentümer der
öffentlichen Hoheits- rechte galt, infolge der tatsächlichen
Ausübung dieser Rechte durch die
Territorialstaaten sozusagen aller staatlichen Machtmittel be- raubt war
und seine Fortexistenz lediglich einer altehrwürdigen Tradition und dem guten Willen der Unterstaaten verdankte. Die machtpolitische Kraftverteilung zwischen Territorial- und Reichs- gewalt tritt natürlich in rechtlichen Beziehungen in Erscheinung. Zwischen staatlichen Organisationen, die einander
übergeordnet sind, bestehen naturgemäß Reibungsflächen, die
eine möglichst genaue Ausscheidung der Kompetenzen notwendig machen!
und so haben die Territorien des Spätmittelalters ein starkes Interesse daran, ihre sebständige Stellung im Reichsverband durch königliche Privi- legien fixieren
zu lassen. Wir sehen dies wiederholt auch bei unseren Herrschaften, insbesondere seit dem Jahre 1342, daß sowohl die Grafen von Werdenberg zu Vaduz, als auch die Herren von Brandis und die Grafen von
Sulz sich ihre autonomen Rechte in den
Herr- schaften Vaduz und Schellenberg von den deutschen Kaisern bezw.