Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1944) (44)

— 72 — obersten Klasse als Einleitung in das Studium der Philosophie zu lehren hatte. Er suchte nach der soldatischen Methode das Nächst- liegende unserer Mitwelt zu erklären. Kaiser ging nicht „nach irgend einem gangbaren System" oder Lehrbuch. Die philosophischen Stun- den erfreuten ihn aber nicht so wie die historischen. Seiner innersten Begabung nach war er eben der typisch empirische Forscher. So wundert es uns nicht, das; er, der schon von der Aufklärung unheilvoll berührt war, nun einer falschen philosophischen Lehre anheimfiel. 1830 und 1831 bekleidete er das Amt eines Rektors, das grundsätzlich alle zwei Jahre wechselte. Als solcher mußte er die Schulprogramme der betreffenden Jahre schreiben. Im zweiten von 1831 behandelte er kein eigentliches Thema, sondern stellte einfach die Methode dar, die in den letzten Jahren in Aarau Brauch war. Daraus haben wir unsere Bemerkungen über den Geschichts- unterricht. Das erste Programm von 1830 ist aber das interessantere, weil es aus der Feder Kaisers eine fünfzigseitige Schrift enthält'. „Andeutungen über Geist und Wesen der Geschichte". Darin zeigt er sich ganz als Anhänger der Eeschichtsphilosophie von Wilhelm Friedrich Hegel (f 1831), der seine Ideen schon seit 1807 grundgelegt hatte und nun von seinem hohen Katheder in Berlin (1818—31) seine Ansichten in die deutsche Welt hinaus verkündete. Die Idee der organischen Entwicklung war etwas Großartiges, aber leider hat sie Hegel bis zum Pan- theismus gesteigert. Kaiser folgte ihm auf weiter, nur allzuweiter Strecke. Der Aarauer Rektor betont die Kontinuität zwischen Gegen- wart und Vergangenheit: „Ohne Anschauung der Gegenwart, ohne Kenntnis derselben, bliebe uns die Vergangenheit ebenso ein Rätsel wie die Zukunft." Aber auch, das ist das Bedenklichere, umgekehrt: „Die Gegenwart ist das Resultat der Vergangenheit, das Produkt der Arbeiten der vorhergehenden Generationen." Er wird nicht müde, die Geschichte als die Wissenschaft hinzustellen, die eigentlich die Weltanschauung ersetzt: „Sie ist der Odem, der Hauch des göttlichen Funkens." (S. 3 dazu S. 12 usw.). Diese Ueberspitzung des Historischen hat Kaiser vom deutschen Philosophen. Die Ansicht des Liechtensteiners: „Die Geschichte ist die Offenbarung, das Wort, das uranfänglich dem Menschen eingeboren war" (S. 6) ist nicht unbedenklich. Sie steht dem Traditionalismus von de Lamennais (1817) und de Bonald (1818) nahe, der behauptet: Gott habe dem
	        

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