Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1944) (44)

— 29 — bare sei. Als dann aber die Schüler, des ärgerlichen Treibens end- lich müde, durch offene Parteinahme für Kaiser dem Unwesen ein Ziel stecken wollten, da bestrafte er sie und wollte sogar einige von ihnen relegieren, während er gegen die feindlichen Kollegen schwer- lich je bei der Oberbehörde klagend aufgetreten ist. — Gegen die Schüler, die ihm durch Fleiß, Betragen und Leistungen die liebsten waren, pflegte er stets strenger und genauer zu sein als gegen andere, und wenn jene darüber Klagen laut werden ließen, so antwortete er: 'Der Herr züchtigt die Seinigen; ihr seid sehr un- verständig, daß ihr nicht einseht, daß das zu eurem Besten gereicht'." „Wenn auch seine Besoldung in Disentis klein und namentlich außer allem Verhältnis zu seinen Leistungen war, so würde es ihm doch bei seiner höchst einfachen Lebensweise möglich gewesen sein, etwas zu erübrigen, aber er war zu sehr Christ und Pestaloz- zianer, um es auf materiellen Erwerb abzusehen. Wie oft sagte er zu seinen Schülern und Freunden: 'Wie verdienen wir den Namen Christen, wie verdienen wir es, daß Gottes Sonne uns bestrahle, wenn wir das erste Gebot Christi, das der Liebe nicht befolgen? wenn wir einander nicht helfen und beistehen und sogar unsern Feinden Böses mit Gutem vergelten?' Aber er blieb nicht bei den schönen Worten stehen, sondern seine Wohltätigkeit ging soweit als seine Mittel reichten. Viele seiner ehemaligen Schüler müssen be- zeugen, von ihm ansehnliche Unterstützungen zu ihren Studien er- halten zu haben. Es gab Söhne armer Eltern, für welche er die Hälfte des jährlichen Konviktgeldes bezahlte; andern schaffte er Bücher und Schreibmaterialen an. Man weiß, daß ganze Familien in der Nachbarschaft des Klosters von ihm unterstützt wurden. Ein altes Mütterchen stellte sich jeden Sonntag nach dem vormittägigen Gottesdienst auf dem Klostergange ein und wartete dort unter der lärmenden Schar der Schüler, bis 'der gute Herr' kam. Was das Mütterchen erhielt, weiß niemand; jedermann aber wußte, daß es einer blutarmen Familie angehörte, die nicht betteln ging. Viele andere kamen zu ihm ihre Not und Bedrängnis zu klagen; er ent- ließ keinen ohne Trost und Hülfe und man weiß auch von keinem, den er wegen einer Schuldforderung hätte belangen lassen. So ist es nicht zu verwundern, daß Kaiser, als er von Disentis nach Chur übersiedelte, abgesehen von den Anschaffungen an Büchern, nichts weiter erspart hatte als 4VV Gulden; diese Summe selbst aber stand Z 5
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.