Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1940) (40)

— 242 — Ein besonderes Kennzeichen dieser Fugen ist die Vielfältigkeit der Erscheinungen in Form und Ausdruck. Vergeblich würde man nach einer Schablone suchen, stets ist man durch die Neuheit über- rascht. Dies gilt freilich auch für die übrigen Fugen und überhaupt die kontrapunktischen Klavierwerke Rheinbergers. Ohne auf alles einzugehen, will ich nur die wichtigsten Erscheinungen daraus er- wähnen. Eines der wenigen Werke, die öffentlich gespielt wurden (von H. von Bülow — ihm gewidmet) ist die glänzend gearbeitete Toccata op. 12. Nach einer Einleitung in O-Dur scheint das den Hauptsatz in O-Moll eröffnende Thema sich zur Fuge anzulassen. Indes handelt es sich nur um Nachahmungen; sie durchziehen das ganze Stück, welches eine Art von Sonatenform darstellt. Ein monumental angelegtes Fugenwerk (Präludium und Fuge zum Konzertvortrag, op. 33) mutet an wie eine Huldigung vor dem Genius Beethovens. Schon die einleitenden Klänge atmen dessen Geist und der grandiose Aufbau der Fuge erinnert an das Finale von Beethovens op. 106. Ein 2. und ein 3. Thema schaffen reiche Gegensätzlichkeit und zum Schluß überrascht die seltene Erscheinung einer Kadenz, bei deren technischen Schwierigkeiten — was kaum gesagt zu werden braucht — jede Note organisch begründet ist. Ebenfalls von virtuoser Neigung beherrscht, welche diesmal vom einleitenden Satz ausgeht, ist die Fuge op. 42. Freilich sagt schon deren Titel „Etüde und Fugato", worum es sich handelt. Das Passagenwerk der Etüde durchzieht das ganze Werk, es erscheint in der Fuge zwischensatzartig. Von besonderer Bedeutung ist die loccats op. 115, deren Grundgedanke der des „Perpetuum mobile" ist. Vom Thema aus- gehend arbeiten die Sechzehntel das ganze Stück hindurch, bald unheimlich wie loderndes Feuer, bald eindringlich wie pochendes Hämmern, bald im Untergrund versunken wie leises Rauschen, um neuen Gebilden den Vorrang zu lassen, welche in stetem Wechsel überraschen und gefangenhalten. Das Ganze ist im Gewände des echten Klavierstückes, dessen glänzende Wirkungen streng im Orga- nischen wurzeln. Mit welcher Begeisterung würden sich unsere Pia- nisten auf diese Werke stürzen — insbesondere die 3 letztgenannten — wollten sie sich nur die Mühe machen, sie anzusehen! An durch- schlagender Wirkungskraft wird Weniges in der gesamten poly- phonen Literatur ihnen gleichzustellen sein.
	        

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