Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1940) (40)

— 237 — Joseph Rheinbergers polyphone Klaviermusik Von Professor August Schmid-Lindner Was nützen alle gutgemeinten Worte, wenn sie doch nicht ge- lesen werden? Denn wer wird eine Eedenkschrift für den „altmo- dischen Formalisten" Rheinberger zur Hand nehmen? Außer den wenigen Getreuen, welche sich persönlich verbunden fühlen, höchstens das kleine Häuflein derer, welche, dem allgemeinen Vorurteil zum Trotz, sich selbst ihr Urteil gebildet haben. Ihnen kann ich nichts Neues sagen — sollte man meinen — indes vermute ich, es den- noch zu können. Denn wenn Rheinbergers Werk vergessen ist, so ist es der Teil seines Schaffens, den ich behandeln will, ganz besonders: er hat überhaupt niemals ein Leben geführt. Eher be- kannt ist von des Meisters Klaviermusik dies und jenes, womit er sich der Zeitmode anzupassen oder einen äußerlichen Virtuosenstil zu entwickeln suchte; in beidem taten es ihm sonst weit mindere Geister zuvor. Sowie er aber, losgelöst von derartigen Beeinflus- sungen, für sich allein seinen Weg sucht, so sind es wohl zumeist die altehrwürdigen Formen der Polyphonie, welche ihn anziehen. Unter ihren strengen Fesseln, welche anderen die Bewegungsfreiheit rau- ben würden, wandelt er frei und sicher, sein Ausdrucksvermögen wächst und die herrlichsten Stimmungen blühen auf; ungerufen erscheinen sie, vielleicht ihrem Schöpfer selbst unbewußt. Um Rheinbergers inniges Verhältnis zur polyphonen Kunst zu verstehen, genügt ein Blick auf seinen Entwicklungsgang. Von der Orgel, die er schon mit 7 . Jahren spielt, kommt er her und von der Kirchenmusik; und mag die seines Heimatstädtchens auch auf bescheidener Stufe sich bewegt haben, immerhin sind es die Formen der Polyphonie. welche dem Knaben von Jugend auf ver- traut werden. Das Hausersche Konservatorium in München, das ihn alsbald aufnahm, stand damals, wie man kurzweg sagen kann, unter dem Zeichen I. S. Bachs und die vortreffliche Schulung, welche dort einem Kunstjünger zuteil wurde, könnte auch für unsere heutigen
	        

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