Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1940) (40)

— 203 — plötzlich in eine geradezu jugendliche Begeisterung geriet, wenn die Engführung gut und sauber geglückt war. Und wenn oft keiner von uns weiter wußte, wenn der Karren sozusagen verfahren schien, dann ging der Meister selbst an die Tafel, besann sich ein paar Augenblicke — und mit wenigen Takten hatte er die Sache wieder ins Geleise gebracht. Oder wenn er unsere eigenen kompositorischen Arbeiten korrigierte: ein freundliches, ermunterndes oder auch tadelndes Wort, ein kurzer Hinweis, es doch besser so oder so zu machen, oder diese Arbeit liegen zu lassen, da sie schon in der An- lage verfehlt sei, und dafür lieber eine andere anzufangen, ein paar Bleistiftstriche mit seiner immer schon etwas zittrigen Hand — und wir hatten verstanden, was der Meister meinte, und wußten; wie wir dran waren. Und gerade hierbei, besonders wenn er mit einer Leistung zufrieden war. konnte man Rheinberger oft als einen wahrhaft väterlichen Freund kennen und lieben lernen. Auch dann sprach er nicht viel, aber der weich und leicht umflorte Klang seiner Stimme verriet uns doch seine innere Freude und Teilnähme an unserem künstlerischen Streben. Dann offenbarte sich das reine und edle Menschentum dieses seltenen Mannes in tiefbeglückender Weise; und das waren die schönsten Stunden jener fernen Zeit, wenn wir das stolze Gefühl haben durften, dem verehrten Meister auch mensch- lich näher gekommen zu sein. So steht Rheinbergers Bild in meinem Herzen, und so wird es in meiner Erinnerung weiterleben. Julius Weismann Es war im Jahre 1891 (ich war damals 11^ Jahre alt), da mein Vater, der bekannte Naturforscher, einen halbjährigen Urlaub in München verbrachte und bei dieser Gelegenheit meine musikalische Begabung durch ein ernsthaftes Studium an der dortigen Akademie der Tonkunst zu fördern suchte. Besonders lebhaft steht in meiner Erinnerung der sonnige Oktobertag, an dem ich zum erstenmal die Akademie zwecks meiner Aufnahmeprüfung betrat. Bedrückten Ge- mütes kam ich in ein Unterrichtszimmer, in dem eine Anzahl wie mir schien uralter Herren versammelt war, davon als Senior Rhein-
	        

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