Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1940) (40)

— 193 — Georg Blum Es war in den Jahren 1889—1891, in denen ich Unterricht von Professor Rheinberger erleben konnte. Eine 
ziemlich starke Klasse von Kontrapunktschülern, die sich aus 9 Deutschen, 5 Amerikanern, 2 Engländern und 1 Balten 
rekrutierten. Professor Rheinbergers Ruf als Lehrer des strengen Kontrapunktsatzes hatte sich weit ver- breitet, abgesehen von den 
wertvollen musikalischen Schöpfungen, die seinen Namen in der ganzen Welt bekannt machten. Da die Nationen damals noch friedlich nebeneinander sich der Pflege der Kultur hingeben 
konnten, so herrschte in der Rhein- berger-Klasse ein erfreulicher Wettstreit um 
die besten musikali- schen Einfälle, die freilich manchmal ins Stocken kamen, wo dann Professor Rheinberger als erfahrener Meister dem Kunstwerk, das auf der Tafel gefertigt wurde, das 
Weiterleben ermöglichte. Die Amerikaner brachten neben einem freieren persönlichen Auf- treten auch 
oft Zeichen eines 
gesunden Humors mit, die 
den Eesichts- zügen des strengen Meisters Rheinberger ein Schmunzeln entlockten. I. S. Bach war 
der Pol und die Richtschnur aller Arbeiten in der musikalischen Kunst, die er 
unermüdlich hauptsächlich aus dem „Wohltemperierten Klavier" demonstrierte, 
dessen Inhalt er 
voll- ständig in sich aufgenommen hatte. Es war eine 
merkwürdige Zeit für den Musikstudenten. Auf der einen 
Seite dieses strenge Gebundensein an die 
bewährten For- men und harmonischen Gebilde der 
sogenannten klassischen Satzkunst. Kam dann für ihn der Abend, dann hörte er partitur-behaftet auf einer Treppenstufe 
der Hoftheater-Ealerie die Wunder des „Tristan" vor sich aufgetürmt. Oder in einem Konzert die Uraufführung des „Ständchens" von Richard Strausz, oder hatte Gelegenheit, ein 
Ma- nuskript — die vierhändige Bearbeitung des „Don Juan" — 
des- selben Meisters durchzuarbeiten. Kein 
Wunder, dasz mancher schon vor 
der Zeit revolutionäre Gedanken pflegte. Doch Professor Rheinberger wehrte allzufreiem Walten inner- halb der zielgerichteten Lehrmethode. Er forderte, daß alle Arbeiten der Lehrzeit von dem Schüler in 
tadelloser Handschrift zu späterem
	        

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