Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1940) (40)

— 154 — Ich, der im letzten Schuljahr wöchentlich 8 Stunden" neben dem Meister saß, war Zeuge, mit welcher Geduld er die von ihren Elaboraten oft stark begeisterten jugendlichen Tonsetzer von der Un- brauchbarkeit oder Unfertigkeit ihrer Arbeiten zu überzeugen suchte, und wie sicher und leichtverständlich er die Erundübel, an denen sie krankten, klarzulegen verstand. Unbelehrbare bekamen schließlich ein paar Worte zu hören wie: „Wer viel moduliert, dem fällt gewöhnlich nichts ein" oder: „Ein- fachheit will eben gelernt sein." Der Unbelehrbaren gab's aber nicht allzuviele. Widerspruch verbot sich bei dem Ansehen des Meisters von selbst. Ein reicher Amerikaner, der es sich hatte leisten können, bei allen namhaften Kompositionslehrern Deutschlands zu studieren, sagte mir: „Keine dieser Persönlichkeiten vermochte solche Ehrfurcht einzuflößen wie Rheinberger, höchstens, wenn auch nicht im gleichen Maß, Herzogenberg 2°. Diese Ehrfurcht beseelte uns alle, obgleich die Natürlichkeit und die bei allem Ernst immer wieder zutage tretende Güte des Meisters dazu angetan war, uns jede Befangenheit zu nehmen. Rheinberger stand dabei in einem wohltuenden Gegensatz zu den Lehrern der vorbereitenden Theorieklassen, S... und E... Diese, seine ehemaligen Schüler, gebärdeten sich „päpstlicher als der Papst" und waren nur darin Meister, ihrenischülern jegliche Freude an dieser Materie auf das gründlichste auszutreiben. Als bei einer Prüfung die beiden Herren einen Schüler auf ihre Weise „malträ- tierten", erhob sich Rheinberger höchst mißmutig und strich die von jenen gestellte Aufgabe auf der Tafel mit den Worten aus: „Nein, meine Herren, darin besteht das Geheimnis des Kontrapunktes wahrlich nicht." Rheinberger rekapitulierte denn auch zu Beginn der 1. Kontra- punktklasse stets das ganze Gebiet der Harmonielehre. Zn 4 Wochen war da mehr erreicht als sonst in 3 Jahren. Hier wurde uns nun endlich Brot statt Steine geboten. Nach diesem schlichten, aller Schulmeisteret entblößten, natür- 19. Ich durfte ausnahmsweise die 2. und 3. Klasse in einem Jahrgang besuchen. 20. Heinrich von Herzogenberg, namhafter Komponist und Lehrer in Leipzig.
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.