Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1940) (40)

— 153 — Programm zeigen." Das Ergebnis war ein negatives; Rheinberger lehnte die Komposition ab. Erregt meinte der junge Künstler schließ- lich: „Das Stück sei eben ohne Kommentar ganz und gar nicht ver- ständlich und zu beurteilen." Mochte nun dieser an sich ja begreifliche Einwand, in mangel- haftem Deutsch vorgebracht, etwas zu temperamentvoll ausgefallen sein, der Meister erwiderte in einer Mischung von Heiterkeit und Ärger: „Wenn ich wissen will, ob ein Stück etwas taugt, brauchte ich mir nur die Kontrabaßstimme anzusehen." Diese doch nur „cum AiAno salis" erfolgte Äußerung hatte zur Folge, daß ich später wiederholt der unsinnigen Behauptung ent- gegentreten mußte: Rheinberger habe bei Durchsicht von Partituren immer nur die Kontrabaßstimme angesehen (!!). Dabei war gerade seine Sorgfalt im Lesen und Korrigieren (wie spielte er, trotz seiner manuellen Teilbehinderung, Partituren vom Blatt) bewunderungs- würdig. Ich habe es nie über das Herz gebracht, eine seiner wirklich von „Liebe zur Sache" ̂ veranlaßten Verbesserungen und Einzeichnun- gen aus meinen Manuskripten zu entfernen. Der Stift des Meisters fuhr nämlich oft recht kräftig in unsere, wenn auch nicht musikalisch, so doch „kalligraphisch" auf der Höhe stehenden Manuskripte. „Ge- wöhnen Sie sich beizeiten eine gute, deutliche Notenschrift an, das erspart Ihnen später viel Verdruß", pflegte er zu sagen. So manchesmal betrachteten wir unsere mit Wellenlinien, An- merkungen, Ausrufe- und Fragezeichen reichlich bedachten Kunst- werke in „kindlicher Trauer" und gedachten mit Wehmut des Zeit- aufwandes, der durch die Anfertigung einer neuen Reinschrift bedingt war. War's aber erreicht, daß der Meister neben einigen anerken- nenden auch noch das ersehnte Wort „Das Stück kann aufgeführt werden" sprach, so geriet die ganze Klasse in freudige Bewegung. Rheinberger sah sich dann in den darauffolgenden Stunden einem gesteigerten Andrang von Kompositionsversuchen ausgesetzt. Jeder wollte erneut sein Glück probieren und seinen Platz an der Sonne suchen. - 18. Vergleiche Büloros Brief an Spitzweg. 95
	        

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