Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1940) (40)

— 137 — waren die spleenigen Engländer und Amerikaner, welche mit dick- leibigen Orchesterpartitüren der Richard Wagnerschen Tondramen unterm Arm auf den Hauptpromenaden von Jsar-Athen sich wichtig zu machen pflegten. Wenn einer dieser /Vlister auf dem täglichen Spaziergang im Hofgarten oder gar beim Spielchen Billard im Hofgartencafe den Meister anzureden begann, so schnitt dieser die Audienz kurz ab mit den Worten: „Meine Herren, außerhalb meiner Dienststunden im Odeon bin ich ein gänzlich unmusikalischer Mensch!" Der verbohrt einseitige Wagnerianismus jener Epoche, wo die Bierheben auf Phantasienamen wie Brünhilde, Eutrune, Wal- traute usw. zu hören pflegten und in einem Cafe sogar Met in Auerochsenhörnern kredenzt wurde, mußte für eine ethisch-strenge Musikernatur eine wahre Qual bedeuten. Die schroffe Ablehnung Wagners durch Rheinberger hatte wohl nicht nur ästhetische Motive, sondern hing auch mit dem Übergriff des mit der Reorganisation der Musikschule betrauten gewalttätigen Dichter-Komponisten zu- sammen. Als ich wenige Tage nach, meinem Eintritt anläßlich der im Jnstrumentationskursus zur Rede stehenden Baßklarinette in L schüchtern bemerkte, daß es doch auch eine solche in ^ (Tristan) gäbe, verließ Rheinberger indigniert den Saal und es bedürfte mancher gutgelungenen Doppelfuge, bis der verehrte Lehrer mir seine Gunst wieder zuwandte. Nach etwa einem Zahr bewirkte, bei mir die sechsmalige Anhö- rung von Vizets „Carmen" (sie war auf Wunsch des meiner Familie befreundeten Generalmusikdirektors Levi erfolgt, welcher mir sogar die Orchesterpartitur während mehrerer Wochen zur Verfügung stellte) eine ähnliche Reaktion wie bei dem ehemaligen Wagner- Schwärmer Friedrich Nietzsche. Die geistreich-klare Instrumentation dieses Meisterwerkes der neuerwachenden und nach jahrzehntelan- ger Abhängigkeit von deutschen und italienischen Einflüssen sich auf sich selbst besinnenden französischen Tonkunst wirkte auf mich gera- dezu als Offenbarung. Wie Bizet mit einfachsten Mitteln, z. B. eines Duos zwischen Harfe und Flöte, allein durch die absolut-musi- kalische Essenz seiner Themen und ihrer Verarbeitung gewaltige Wirkungen erzielt, ohne ständig eine ganze Militärkapelle im Rah- men des klassischen Orchesters in Bewegung zu setzen, ließ mich 
plötz- s *
	        

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