— 14 — Wenn die Entladung der gewitterschwangeren poli- tischen Atmosphäre der Jahrhundertwende sich bis zum Jahre 1914 verzögerte, so ist dies vor allem der Tätig- keit des Prinzen Franz von Liechtenstein in St. Peters- burg zu danken, der die ihm gestellte Aufgabe dadurch löste, daß er durch sein ritterliches, ehrliches Behandeln der heikelsten Fragen das Mißtrauen zerstreute, das die Beziehungen zwischen den beiden Monarchien seit Jahren belastet hatte. Ein Ergebnis seiner Tätigkeit war die Mürzsteger Konvention, durch welche die Interessensphären Öster- reichs und Ruhlands in freundschaftlicher Weise abgesteckt werden sollten. Noch heute ist bei der alten Diplomatie der ehemalige Botschafter in verehrungsvoller Erinne- rung. Die Feste auf der österreichischen Votschaft sollen von besonderem Glänze gewesen sein. Die faszinierende Persönlichkeit des Botschafters, die überragende Gestalt, sein sprühender Geist, der aus einem edlen Gesichte sprach, aber auch seine Charaktergröße machten ihn zum Mittelpunkt der Gesellschaft. Beim Hofe war er außer- ordentlich gut aufgenommen worden. Mit sämtlichen Großfürsten verbanden ihn die besten Beziehungen, namentlich mit dem damals einflußreichsten Großfürsten Wladimir und seiner Gemahlin, der Großfürstin Maria Pawlowa, die das erste Haus in Petersburg führte. Mit dem Fürsten Labannow, dem Außenminister des russi- schen Kaiserreiches, der früher Botschafter in Wien war, verband ihn Freundschaft. Die Tätigkeit in Petersburg machte ihn zum profunden Kenner der russischen Ver- hältnisse. Wie sehr richtig er diese beurteilte, zeigt fol- gende Episode: Kurz vor der Kriegserklärung 1914 hatte der Fürst eine Unterredung mit dem damaligen russischen Bot- schafter in Wien, in deren Verlauf Fürst Franz ihm