Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (1929) (29)

- 77 - Die neue 
Lehre ist immer im Fortgang, denn das Wetter- läuten ist in ganz Oesterreich abgetan und verboten. In den Som- mermonaten wurde grausam viel erzählt von den neuen Ein- richtungen in Oesterreich, denn die Marienbilder wurden alle ge- plündert und aller Kleidung beraubt und 
verkauft. Dieses ist das Bedauerlichste, was man in einer Chronik schreiben kann, und ihr 
werdet sehen, daß man von einem Jahr zum andern wird schlechter werden, bis wir zugrunde gehen zeitlich und ewig. Dieser Sommer 
war sehr heiß und trocken, daß die meisten Brunnen auftrockneten. Es gab auch wenig Heu und Emd. Den 3. April ging 
der Tisiser Pfarrer von Feldkirch nach No- fels, willens 
alldort Messe zu lesen. Unterwegs begegneten' ihm 2 Weiber. Außer dem Kehr im Hl. 
Kreuz, sobald er bei den Weibern vorbei war, und unter den Neitskapf 
kam, so kommt er in 
das Wasser und ertrank, und niemand konnte 
die Ursache wis- sen, wie oder warum 
er sollte in 
das Wasser gekommen sein. Al- lein man ließ 
es aus sich beruhen und der Leichnam wurde zu Tisis vor der Pfarrkirche begraben (und er war 
der erste Priester, den man nach der neuen Einrichtung vor der Kirche draußen begrub). Endlich wurde ein ziemliches Getümmel, und 
eine wüste Nachrede von ihm, nämlich daß 
er solle aus Verzweiflung in das Wasser gesprungen sein. Nachher als man wieder ein wenig erstillet war, soll man auf seinem Grabe brennende Lichter 
ge- sehen haben bei der Nacht. 
Nach diesem wurde wieder ein 
Ge- tön ausgebreitet, daß viele 
Leute sein Grab besuchten und darauf beteten. Endlich kam 
es so weit, daß er unter dem gemeinen Volke für heilig ausgerufen wurde, und auch wurde viel Erde ab seinem Grab genommen 
und aus die 
Aecker gesät für die En- gerlinge und das Ungeziefer und 
das soll vielen geholfen haben. Endlich wurde eine Zulauf von Leuten, dergleichen Erde zu holen, daß in einem Tag über die 200 Personen kamen. Sie scharrten die Erde ab seinem Grab, sodaß man den 
Sarg sehen konnte. Es gingen etliche vorwitzige Weiber und hoben den Deckel auf und zündeten mit einem Kerzlein hinein 
und sahen ihn noch ganz un- verwesen auf seinem rechten Arm liegend, mit roten Backen und Lippen, mit lächelndem Mund. Darnach wurde viel Holz von
	        

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