Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2010) (109)

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Es könne nicht angehen, wenn ein Gericht seine 
Entscheidungen durch Rechtsunkundige fallen las 
se, meinte die Autorin. 289 Ausgehend von der 1953 
durch den Staatsgerichtshof getroffenen weiten De 
finition des Begriffes «rechtskundig» könne es theo 
retisch möglich sein, dass «kein Mitglied des Rich 
terkollegiums eines juridischen Universitätsstudi 
ums bedürfe». 290 
Im Jahre 2004 wurde ein Urteil des Obersten Ge 
richtshofs angefochten u. a. mit der Begründung, 
dieser «habe in einem Senat entschieden, dem zwei 
Berufsrichter und drei Laienrichter ohne juristische 
Vorbildung angehörten. Dem Anspruch des fair trial 
nach Art. 6 EMRK werde dieses Gericht ebenso 
nicht gerecht wie dem Anspruch des Art. 27 LV, weil 
ein so zusammengesetztes Gericht nicht dazu in der 
Lage sei, das materielle Recht in der, in der ZPO vor 
gesehenen höchsten Instanz zu schützen. Die Beur 
teilung der Rechtsfragen, die im gegenständlichen 
Fall entschieden worden seien, setze nicht nur juris 
tischen Sachverstand, sondern fundierte Rechts 
kenntnisse voraus.... Es solle hier grundsätzlich zur 
Diskussion gestellt werden, dass die Regelung in 
Liechtenstein, wonach auch in höchster Instanz, 
wenn schwierigste Rechtsfragen von grundsätzli 
cher Bedeutung beurteilt werden sollten, im erken 
nenden Senat Nichtjuristen mitwirkten und die Ju 
risten sogar überstimmen können», weder mit der 
Verfassung noch der EMRK vereinbar sei. 291 Der 
Staatsgerichtshof hielt in seinem Leitsatz zu seinem 
Urteil 2005 dazu fest: «Der Anspruch auf ein faires 
Verfahren in Art. 6 Abs. 1 EMRK wie auch das Recht 
auf den ordentlichen Richter gern. Art. 43 LV verlan 
gen keineswegs, dass Laien nicht auch in als reine 
Rechtsinstanzen fungierenden Höchstgerichten 
Einsitz nehmen dürften. Die Besetzung eines Ge 
richts mit Laien stellt im Grundsatz kein grund 
rechtliches Problem dar. Auch wenn Laienrichter 
für die Berufung in reine Rechtsinstanzen weniger 
geeignet sind als für Unterinstanzen, gibt es auch 
sachliche Gründe, welche für die Einsitznahme von 
Laien auch in reinen Rechtsinstanzen sprechen, wie 
etwa dass Laien als Vertreter des liechtensteini 
schen Staatsvolkes einem legitimen staatspoliti 
schen Bedürfnis entsprechen oder dass der Einbe 
zug von Laien zu einer verständlicheren rechtlichen 
Argumentation zwingt. Das Laienrichtertum ist zu 
dem, wenn auch begrenzt auf eine Minderheit, bei 
den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts verfas 
sungsrechtlich verankert. Bei der kürzlich erfolgten 
Verfassungsrevision hat der Verfassungsgeber of 
fenbar keinen Anlass gesehen, hinsichtlich der Zivil 
und Strafgerichte eine Mehrheit von rechtskundigen 
Richtern vorzusehen. Der StGH sieht insgesamt eine 
mehrheitliche Besetzung des OGH mit Laien als im 
Einklang mit der Verfassung.» 292 In seiner Urteilsbe 
gründung machte der Staatsgerichtshof weitere 
Ausführungen zum Laienrichtertum. Er räumte u.a. 
ein, «dass Laienrichter für die Berufung in reine 
Rechtsinstanzen wie den OGH weniger geeignet 
sind als für Unterinstanzen, in denen auch Tatfra 
gen zu beurteilen und - etwa bei der Strafzumes 
sung in den Strafgerichten - wichtige Ermessens 
entscheide zu fällen sind. Denn dabei können Laien 
ihre allgemeine Lebenserfahrung offensichtlich bes 
ser einbringen als bei reinen Rechtsfragen. 
...Schliesslich ist das Laienrichtertum auch in der 
Landesverfassung selbst verankert: so in Art. 102 
Abs. 1 LV für den VGH und durch Verweis auf diese 
Bestimmung in Art. 105 LV auch für den StGH. Nun 
sieht aber Art. 102 Abs. 1 iVm Art. 105 LV für den 
VGH und den StGH vor, dass eine Richtermehrheit 
rechtskundig sein müsse. Tatsächlich kann eine 
Mehrheit von Laienrichtern im Einzelfall problema 
tisch sein, wenn sich die Laien wichtigen rechtli 
chen Überlegungen der rechtskundigen Richter ge 
radezu verschliessen sollten. Wesentlich erscheint 
dem StGH aber, dass der Spruchkörper anders als 
bei einem Geschworenengericht nicht nur aus Laien 
besteht und somit gewährleistet ist, dass alle we 
sentlichen juristischen Beurteilungskriterien in die 
Urteilsberatung einfliessen können. Jedenfalls hat 
289) Margon, S. 91. 
290) Ebenda, S. 93. 
291) StGH 2004/63, Urteil 9. 5. 2005, LES 2/2006, S. 118. Siehe 
auch Wille, Tobias, S. 80, Anm. 302. 
292) Ebenda, S. 115.
	        

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