Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2010) (109)

DIE VERFASSUNGSREVISION VON 2003 
UND DIE REORGANISATION DES GERICHTS 
WESENS 261 
Verfassungsrevision von 2003 
Das Gerichtswesen wurde durch die Verfassungsre 
vision von 2003 262 in verschiedener Hinsicht geän 
dert. Der Bestand an Gerichten und ihre Zusam 
mensetzung, insbesondere die Art und das Mass der 
Laienvertretung, blieben jedoch im Wesentlichen 
unverändert. 263 
Die bisherige Verwaltungsbeschwerdeinstanz 
wurde neu zum Verwaltungsgerichtshof, der aus 
fünf vom Landesfürsten ernannten Richtern und 
fünf Ersatzrichtern besteht. Die Mehrheit der Rich 
ter des Verwaltungsgerichtshofes muss rechtskun 
dig sein und das liechtensteinische Landesbürger 
recht besitzen. Die Richter wählen jährlich einen 
Vorsitzenden und dessen Stellvertreter. 264 
Neu wurde für alle Richter ein einheitliches Be 
stellungsverfahren eingeführt. Die Richter werden 
vom Landesfürsten ernannt, nachdem sie mit des 
sen Zustimmung dem Landtag zur Wahl empfohlen, 
gegebenenfalls in einer Volkswahl bestimmt worden 
sind. 265 Der Dualismus der in Fürst und Volk veran 
kerten Staatsgewalt und Souveränität wird auch in 
der Aussage der Verfassung ausgedrückt, wonach 
die gesamte Gerichtsbarkeit «im Namen des Fürs 
ten und des Volkes» ausgeübt und «die Entschei 
dungen der Richter in Urteilsform <im Namen von 
Fürst und Volk> erlassen und ausgefertigt» wer 
den. 266 
Richterbestellung 
Aufgrund der Vorgabe der revidierten Verfassung 
wurde die Richterbestellung in einem eigenen Ge 
setz neu geregelt 267 und das Gerichtsorganisations 
gesetz entsprechend abgeändert. 268 Mit der neu or 
ganisierten Auswahl und Bestellung sämtlicher 
Richter wurden der Prozess und das Mass der mehr 
als hundertjährigen Mitwirkung der Volksvertre 
tung bei der Richterbestellung, insbesondere beim 
Schöffen- und Kriminalgericht, neu gewichtet. An 
knüpfend an die alte, gegen den absolutistischen 
Staat gerichtete Forderung, dass in der Strafge 
richtsbarkeit die Entscheidung über Leib und Leben 
durch vom Volk gewählte Richter seines Vertrauens 
getroffen werden sollte, hatte der Landtag seit 1881 
Laienrichter in das Kriminal-, seit 1884 auch in das 
zusätzlich gebildete Schöffengericht gewählt. Die 
Laienrichter waren im Kriminalgericht bis 1921 in 
der Minderzahl gewesen, im Schöffengericht waren 
von Beginn an zwei Schöffen einem Berufsrichter 
(Landrichter) gegenübergestanden. Seit der Ge 
richtsorganisation von 1922 waren mit Ausnahme 
des von Gesetzes wegen tätigen Landrichters sämt 
liche Richter für das Kriminal- und Schöffengericht 
vom Landtag gewählt worden. Die vom Landtag in 
die Strafgerichte gewählten Richter hatten zu ihrer 
gesetzmässigen Bestellung keiner Ernennung oder 
Bestätigung durch den Landesfürsten bedurft. Sie 
waren also ausschliesslich demokratisch legiti 
miert. Im Bereich der Strafrechtspflege war das 
Prinzip der Mitwirkung von Fürst und Volk an der 
Richterbestellung zu Gunsten der Alleinbestellung 
durch den Landtag durchbrochen gewesen. 269 Diese 
Rechtstradition wurde mit dem auf Grund der Ver 
fassungsrevision von 2003 neu eingerichteten Rich 
terbestellungsverfahren beendet. Die Mitwirkung 
des Volkes kommt darin einerseits indirekt durch 
den Einsitz von Landtagsabgeordneten in das Rich 
terauswahlgremium und das Wahlrecht des Land 
tags, andererseits durch die vorgesehene Volksab 
stimmung im Falle einer Ablehnung der vom Gremi 
um vorgeschlagenen Kandidaten durch den Land 
tag zur Geltung. 270 
Gerichtsorganisations- und Richter 
dienstgesetz 
Nach der Verfassungsrevision von 2003 befasste 
sich die Regierung auch mit einer Reorganisation 
der Strukturen der ordentlichen Gerichte. Dabei 
wurde an das neue Richterbestellungsverfahren an 
geknüpft. Im Vordergrund standen ein neues Ge 
richtsorganisationsgesetz und der Erlass eines 
Richterdienstgesetzes. Unter Beizug eines externen 
Experten wurde eine eingehende Organisationsana 
lyse der ordentlichen Gerichte durchgeführt. 271 Sie 
bildete die Grundlage für die Erarbeitung der ein 
schlägigen Gesetze. Bei der Erstellung der Organisa-
	        

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