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Jugendamt sah zwar in der geltenden Regelung
auch gewisse Vorteile, bejahte aber schliesslich eine
Entflechtung von Funktionen des Jugendamts und
Jugendrats einerseits und des Jugendgerichts ande
rerseits. 230 Ein von der Regierung eingeholtes Gut
achten erachtete die gegen die bestehende Verflech
tung vorgebrachten Bedenken als begründet und
schlug vor, das Gerichtsorganisationsgesetz in An
lehnung an das österreichische Jugendgerichtsge
setz zu ändern. 231 Mit ihrer Gesetzesvorlage trug die
Regierung verfassungsrechtlichen Bedenken Rech
nung und präsentierte «eine den rechtsstaatlichen
Grundsätzen entsprechende Funktionsentflech
tung». 232 Der Landtag genehmigte die vorgeschlage
ne Organisation des Jugendgerichts. 233 Es war wie
bisher als Dreiersenat unter dem Vorsitz eines
Landrichters ausgestaltet und «nur dann ordnungs
gemäss besetzt, wenn mindestens ein Schöffe dem
Geschlecht des Angeklagten angehört». Seine Mit
glieder wurden wie diejenigen des Schöffen- und
Kriminalgerichts vom Landtag gewählt. Sie sollten
«die erforderlichen pädagogischen Kenntnisse und
Fähigkeiten aufweisen sowie über Erfahrungen auf
dem Gebiete der Jugendwohlfahrt, der Jugendbe
treuung und allenfalls der Psychologie und Sozialar
beit verfügen» und durften «nicht beim Jugendamt
tätig sein». 234
Die 1988 neu geschaffene Strafprozessord
nung 235 enthielt auch Bestimmungen über die mit
der Ausübung der Strafgerichtsbarkeit befassten
Gerichte. Sie änderte nichts an der Art und Einrich
tung der Gerichte, regelte jedoch ihre sachliche Zu
ständigkeit im Einzelnen. Das Gerichtsorganisati
onsgesetz hatte keine genauen Zuständigkeitsbe
stimmungen getroffen und die bis dahin geltende
Strafprozessordnung enthielt darüber nur kursori
sche Aussagen. Sie fanden sich an verschiedenen
Stellen, so dass die Regelung der sachlichen Zustän
digkeit sehr unübersichtlich war. Die neue Strafpro
zessordnung enthielt eine allgemeine Aufzählung
der zur Ausübung der Gerichtsbarkeit in Strafsa
chen berufenen Gerichte. Das Jugendgericht war in
diesen Katalog nicht aufgenommen worden, weil
dafür durch das neue Jugendgerichtsgesetz bereits
eine Sonderregelung getroffen worden war. 236
Sicherung des Schöffengerichts
und Ausbildung der Laienrichter
Mit der Zuständigkeitsregelung für das Schöffenge
richt verfolgte die Regierung u. a. das Ziel, die Insti
tution des Schöffengerichts zu erhalten. Dieses hat
te, seitdem aufgrund einer Verfahrensänderung
1972 237 auch der Einzelrichter in Vergehenssachen
judizieren durfte, kaum noch über Kompetenz ver
fügt. Es erschien der Regierung angezeigt, «die In
stitution des Schöffengerichtes ... zu erhalten, zu
mal da sich die Einbeziehung von Laien in die Kolle
gialgerichtsbarkeit als besonders bürgernah und ef
fektiv erwiesen hat». «Nach sorgfältiger Prüfung des
Tatbestandkataloges des StGB» stattete sie das
Schöffengericht mit neuen Zuständigkeiten aus und
wählte dazu Vergehen aus, «für die einerseits eine
besondere Sensibilisierung der Öffentlichkeit be
steht und andererseits ein nützlicher Beitrag von
Laienrichtern erwartet werden kann». 238 In den Zu
ständigkeitskatalog des Schöffengerichts wurden
daher «alle fahrlässigen Tötungsdelikte, die öffentli
che Beleidigung des Landtages, der Regierung oder
einer anderen öffentlichen Behörde, die fahrlässige
Herbeiführung von Gemeingefahren mit qualifizier
ten Folgen, die Umweltschädigungen, die Störungen
des religiösen Friedens und der Ruhe der Toten, De
likte zum Nachteil des Staates und seiner Organe,
des öffentlichen Friedens, der öffentlichen Ordnung,
Verletzungen von Amtspflichten u.ä.m. aufgenom
men.» Der Katalog dieser Zuweisungen war mit 40
Positionen verhältnismässig lang. Es handelte sich
aber nach Auffassung der Regierung um Delikte, die
nicht häufig abgeurteilt werden müssten. Sie erhoff
te sich, damit die Zukunft des Schöffengerichts zwar
gesichert, aber dennoch nicht überlastet zu ha
ben. 239
Die neue Strafprozessordnung behielt neben den
Schöffen auch die Gerichtszeugen als weitere Form
der Laienbeteiligung an der Gerichtsbarkeit bei. Die
Zuziehung von Gerichtszeugen war erforderlich
«bei der Vornahme eines Augenscheines, bei der
Haus- und Personsdurchsuchung und bei der Ver
nehmung des Beschuldigten, wenn er es ver
langt». 240 Es blieb wie bis anhin allgemeine Bürger
pflicht, sich als Gerichtszeuge bei Untersuchungs-