GESCHICHTE DES LAIENRICHTERTUMS IN
LIECHTENSTEIN / ALOIS OSPELT
83
Regierung erkannte in ihrer Antwort an die Richter
vereinigung zwar eine Sonderstellung des Jugend
gerichts insoweit, «als die einzelnen Richter nicht
persönlich bestellt bzw. gewählt» würden und im
Gerichtsorganisationsgesetz die «speziellen Voraus
setzungen für die Bestellung der Jugendrichter (Mit
gliedschaft im Jugendrat, Alter) umschrieben» sei
en. Es erfolge keine eigentliche Bestellung durch die
Regierung. Der Landtag habe «diese Art der Bestel
lung des Jugendgerichtes ausdrücklich gesetzlich
verankert und somit im weitesten Sinne bei der Be
stellung der Jugendrichter <mitgewirkt>», und es lie
ge keine Rechtswidrigkeit in der Bestellung vor. Die
Regierung teile auch nicht die im Schreiben der
Richtervereinigung dargelegte Rechtsansicht, «wo
nach die Zuständigkeit bei der Wahl bzw. Bestellung
von Richtern eine Frage des verfassungsmässigen
Grundsatzes der Gewaltentrennung» sei. Es sei
«rechtlich nicht zulässig, diesen Grundsatz dahinge
hend interpretieren zu wollen, dass die Jugendrich
ter vom Landtag gewählt werden müssen», hielt die
Regierung abschliessend fest. 216 217 218 219 220 221 222 223 224 225 226 227
Eine weitere Kritik an der Besetzungslösung des
Jugendgerichts erfolgte durch ein ehemaliges Mit
glied des Jugendrats, das auch als Jugendrichterin
gewirkt hatte. 228 Der Umstand, dass «der Jugendrat
einerseits Massnahmen der freiwilligen Einzelhilfe
anordnen und beim Landgericht Antrag auf Anord
nung von Massnahmen der gesetzlichen Einzelhilfe
stellen» könne, andererseits Mitglieder des Jugend
rats «als Jugendrichter zum Teil wieder über diesel
ben Jugendlichen zu Gericht zu sitzen» hätten, wur
de «aus eigener Erfahrung als sehr schlecht» beur
teilt. «Mitglieder des Jugendrates sollten künftig
nicht mehr in das Jugendgericht bestellt werden
können. Dies betreffe vor allem auch den Leiter des
Jugendamtes, welcher durch seine gleichzeitige Tä
tigkeit beim Jugendgericht und im Jugendrat ver
schiedenen Interessenskonflikten ausgesetzt sei.»
Weiter wurde vorgeschlagen, bei der künftigen Zu
sammensetzung des Jugendgerichts darauf zu ach
ten, dass auch Frauen entsprechend vertreten sei
en. Schliesslich sollte der Schulung der Laienrichter
in Zukunft ein besonderes Augenmerk geschenkt
werden.
Das erwähnte Anliegen wurde von Landtagsab
geordneten aufgenommen und der Regierung in ei
nem Postulat zur Beantwortung übertragen. 229 Das
216) Zum Präsidenten der Verwaltungsbeschwerdeinstanz wählte
der Landtag 1922 Dr. Brügger, zu dessen Stellvertreter Dr. Hobi,
beide Schweizer Staatsbürger, sowie die liechtensteinischen Laien
richter Anton Walser und Wilhelm Fehr (Landtagssitzung vom
26. April 1922).
217) Gesetz vom 12. Juli 1934 betreffend die Abänderung des
Gerichts-Organisationsgesetzes vom 7. April 1922 (LGB1. 1934,
Nr. 8), Art 1.
218) LLA Landtagsprotokoll vom 5. Juli 1934.
219) Lic. iur. Max Bizozzero ist seit 1. Januar 1984 erster vollamtli
cher Präsident des Obergerichts (Auskunft Regierungssekretär
Norbert Hemmerle, 22. August 2008).
220) Verfassungsgesetz vom 23. Dezember 1958 (LGB1. 1959, Nr. 7);
Gesetz über den Schutz und die Wohlfahrt der Jugend (Jugendge
setz) vom 23. Dezember 1958 (LGB1. 1959, Nr. 8); Gesetz vom 28.
November 1972 über die Abänderung des Gerichtsorganisationsge
setzes (LGB1. 1973, Nr. 1), Art. 1 und 3.
221) LLA RF 236/72/34: Gesetzesentwurf und Motivenbericht
betreffend Jugendschutz und Jugendgerichtsbarkeit vom 1. Februar
1946.
222) Gesetz über den Schutz und die Wohlfahrt der Jugend (Jugend
gesetz) vom 23. Dezember 1958 (LGB1. 1959, Nr. 8), Art. 28.
223) LLA RF 236/72/34: Gesetzesentwurf und Motivenbericht
betreffend Jugendschutz und Jugendgerichtsbarkeit vom 1. Februar
1946, S. 26 f.
224) LLA L 1 (1985): Bericht und Antrag der Regierung an den
Landtag zur Schaffung eines Jugendgerichtsgesetzes (JGG) vom
7. November 1984, S. 11 f.; Jugendgerichtsgesetz vom 27. Mai 1987
(LGB1. 1988, Nr. 39), § 11 und 13.
225) Vgl. dazu Oehry, Fürst und Volk, S. 146; Waschkuhn, Justiz
rechtsordnung, S. 39 f. - Oehry erachtete es als konsequenter und
dem Grundsatz der Gewaltentrennung entsprechend, wenn die
Jugendrichter vom Landtag gewählt würden.
226) LLA RF 333/ 104. Schreiben der Vereinigung Liechtensteini
scher Richter an die Regierung, 10. April 1987. - In der Begründung
wird auf Oehry, Fürst und Volk, S. 145 f. verwiesen.
227) LLA RF 333/ 104. Schreiben der Regierung an die Vereinigung
Liechtensteinischer Richter, 6. Mai 1987. - Die Regierung stützte ihre
Argumentation auf eine rechtliche Begutachtung betr. verfassungs
widriger Bestellung der Laienrichter im Jugendgericht durch den
Rechtsdienst, 23. April 1987.
228) LLA RF 333/104. Amtsvermerk über eine Vorsprache von Frau
Erika Amann-Quaderer am 15. Dezember 1987.
229) LLA Landtagsakten: Postulat vom 6. April 1988, der Regierung
in der Landtagssitzung vom 25. Mai 1988 überwiesen.