Volltext: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (2010) (109)

GESCHICHTE DES LAIENRICHTERTUMS IN 
LIECHTENSTEIN / ALOIS OSPELT 
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Regierung erkannte in ihrer Antwort an die Richter 
vereinigung zwar eine Sonderstellung des Jugend 
gerichts insoweit, «als die einzelnen Richter nicht 
persönlich bestellt bzw. gewählt» würden und im 
Gerichtsorganisationsgesetz die «speziellen Voraus 
setzungen für die Bestellung der Jugendrichter (Mit 
gliedschaft im Jugendrat, Alter) umschrieben» sei 
en. Es erfolge keine eigentliche Bestellung durch die 
Regierung. Der Landtag habe «diese Art der Bestel 
lung des Jugendgerichtes ausdrücklich gesetzlich 
verankert und somit im weitesten Sinne bei der Be 
stellung der Jugendrichter <mitgewirkt>», und es lie 
ge keine Rechtswidrigkeit in der Bestellung vor. Die 
Regierung teile auch nicht die im Schreiben der 
Richtervereinigung dargelegte Rechtsansicht, «wo 
nach die Zuständigkeit bei der Wahl bzw. Bestellung 
von Richtern eine Frage des verfassungsmässigen 
Grundsatzes der Gewaltentrennung» sei. Es sei 
«rechtlich nicht zulässig, diesen Grundsatz dahinge 
hend interpretieren zu wollen, dass die Jugendrich 
ter vom Landtag gewählt werden müssen», hielt die 
Regierung abschliessend fest. 216 217 218 219 220 221 222 223 224 225 226 227 
Eine weitere Kritik an der Besetzungslösung des 
Jugendgerichts erfolgte durch ein ehemaliges Mit 
glied des Jugendrats, das auch als Jugendrichterin 
gewirkt hatte. 228 Der Umstand, dass «der Jugendrat 
einerseits Massnahmen der freiwilligen Einzelhilfe 
anordnen und beim Landgericht Antrag auf Anord 
nung von Massnahmen der gesetzlichen Einzelhilfe 
stellen» könne, andererseits Mitglieder des Jugend 
rats «als Jugendrichter zum Teil wieder über diesel 
ben Jugendlichen zu Gericht zu sitzen» hätten, wur 
de «aus eigener Erfahrung als sehr schlecht» beur 
teilt. «Mitglieder des Jugendrates sollten künftig 
nicht mehr in das Jugendgericht bestellt werden 
können. Dies betreffe vor allem auch den Leiter des 
Jugendamtes, welcher durch seine gleichzeitige Tä 
tigkeit beim Jugendgericht und im Jugendrat ver 
schiedenen Interessenskonflikten ausgesetzt sei.» 
Weiter wurde vorgeschlagen, bei der künftigen Zu 
sammensetzung des Jugendgerichts darauf zu ach 
ten, dass auch Frauen entsprechend vertreten sei 
en. Schliesslich sollte der Schulung der Laienrichter 
in Zukunft ein besonderes Augenmerk geschenkt 
werden. 
Das erwähnte Anliegen wurde von Landtagsab 
geordneten aufgenommen und der Regierung in ei 
nem Postulat zur Beantwortung übertragen. 229 Das 
216) Zum Präsidenten der Verwaltungsbeschwerdeinstanz wählte 
der Landtag 1922 Dr. Brügger, zu dessen Stellvertreter Dr. Hobi, 
beide Schweizer Staatsbürger, sowie die liechtensteinischen Laien 
richter Anton Walser und Wilhelm Fehr (Landtagssitzung vom 
26. April 1922). 
217) Gesetz vom 12. Juli 1934 betreffend die Abänderung des 
Gerichts-Organisationsgesetzes vom 7. April 1922 (LGB1. 1934, 
Nr. 8), Art 1. 
218) LLA Landtagsprotokoll vom 5. Juli 1934. 
219) Lic. iur. Max Bizozzero ist seit 1. Januar 1984 erster vollamtli 
cher Präsident des Obergerichts (Auskunft Regierungssekretär 
Norbert Hemmerle, 22. August 2008). 
220) Verfassungsgesetz vom 23. Dezember 1958 (LGB1. 1959, Nr. 7); 
Gesetz über den Schutz und die Wohlfahrt der Jugend (Jugendge 
setz) vom 23. Dezember 1958 (LGB1. 1959, Nr. 8); Gesetz vom 28. 
November 1972 über die Abänderung des Gerichtsorganisationsge 
setzes (LGB1. 1973, Nr. 1), Art. 1 und 3. 
221) LLA RF 236/72/34: Gesetzesentwurf und Motivenbericht 
betreffend Jugendschutz und Jugendgerichtsbarkeit vom 1. Februar 
1946. 
222) Gesetz über den Schutz und die Wohlfahrt der Jugend (Jugend 
gesetz) vom 23. Dezember 1958 (LGB1. 1959, Nr. 8), Art. 28. 
223) LLA RF 236/72/34: Gesetzesentwurf und Motivenbericht 
betreffend Jugendschutz und Jugendgerichtsbarkeit vom 1. Februar 
1946, S. 26 f. 
224) LLA L 1 (1985): Bericht und Antrag der Regierung an den 
Landtag zur Schaffung eines Jugendgerichtsgesetzes (JGG) vom 
7. November 1984, S. 11 f.; Jugendgerichtsgesetz vom 27. Mai 1987 
(LGB1. 1988, Nr. 39), § 11 und 13. 
225) Vgl. dazu Oehry, Fürst und Volk, S. 146; Waschkuhn, Justiz 
rechtsordnung, S. 39 f. - Oehry erachtete es als konsequenter und 
dem Grundsatz der Gewaltentrennung entsprechend, wenn die 
Jugendrichter vom Landtag gewählt würden. 
226) LLA RF 333/ 104. Schreiben der Vereinigung Liechtensteini 
scher Richter an die Regierung, 10. April 1987. - In der Begründung 
wird auf Oehry, Fürst und Volk, S. 145 f. verwiesen. 
227) LLA RF 333/ 104. Schreiben der Regierung an die Vereinigung 
Liechtensteinischer Richter, 6. Mai 1987. - Die Regierung stützte ihre 
Argumentation auf eine rechtliche Begutachtung betr. verfassungs 
widriger Bestellung der Laienrichter im Jugendgericht durch den 
Rechtsdienst, 23. April 1987. 
228) LLA RF 333/104. Amtsvermerk über eine Vorsprache von Frau 
Erika Amann-Quaderer am 15. Dezember 1987. 
229) LLA Landtagsakten: Postulat vom 6. April 1988, der Regierung 
in der Landtagssitzung vom 25. Mai 1988 überwiesen.
	        

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