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Schweizer Staatsbürger zum Präsidenten und zu
dessen Stellvertreter sowie zwei liechtensteinische
Laien. 216
Entwicklungen seit der Verfassung von 1921
Als der Landtag 1934 das Obergerichtskollegium
von einem Dreier- zu einem Fünfersenat erweiter
te, 217 kam es im Zusammenhang mit einem Beset
zungsvorschlag für einen Laienrichter zu einer kur
zen und bei Richterwahlen durchaus unüblichen
Diskussion über dessen Eignung für das Amt. Die
gemachte Äusserung über den Kandidaten, «N. N.
ist nie unter den Leuten zu finden, er hat keine Füh
lung mit dem Volke und kann kein Volksurteil ha
ben», illustriert deutlich die Funktion, die die Volks
vertretung dem Laienrichtertum zumass. 218
Bei der Besetzung der Kollegialgerichte bildete
sich aus der im Laufe der Jahrzehnte geübten Praxis
die Tradition, liechtensteinische, österreichische
und schweizerische Juristen in einem ausgewoge
nen Verhältnis zu berücksichtigen. Beim Schöffen
gericht und beim später geschaffenen Jugendge
richt wurde lange Zeit regelmässig ein liechtenstei
nischer Berufsrichter (Landrichter) zum Vorsitzen
den ernannt. Die beiden übrigen Mitglieder des Se
nats waren zwei liechtensteinische Laien. Als
Vorsitzender des ebenfalls in erster Instanz tätigen
Kriminalgerichts kam ein österreichischer Richter
im Nebenamt zum Zuge, daneben als juristisch aus
gebildeter Beisitzer ein Landrichter sowie drei
liechtensteinische Laien als weitere Beisitzer. Zum
Präsidenten des Obergerichts wurde regelmässig
ein Schweizer Richter gewählt, als Vizepräsident ein
Österreicher. Dazu kamen wiederum drei liechten
steinische Laien. Nach der Bildung eines zweiten
Senats übernahm dort jeweils der österreichische
Vizepräsident den Vorsitz. Beim Obersten Gerichts
hof war jeweils ein Österreicher Präsident. Als juris
tisch ausgebildeter Beisitzer fungierte ein Schwei
zer Richter. Dazu kamen wiederum drei liechten
steinische Laienbeisitzer.
Bis auf Einzelrichter beim Landgericht und aus
ser dem Präsidenten des Obergerichts (seit 1984) 219
waren bis heute alle Richter in den Kollegialgerich
ten im Nebenamt tätig.
Schaffung eines Jugendgerichts
Mit der Verfassungsnovelle vom 23. Dezember
1958 220 wurde in erster Instanz im Bereich der
Strafrechtspflege auch noch ein Jugendgericht als
Dreiersenat geschaffen, das wie das Schöffengericht
aus einem Landrichter als Vorsitzendem und zwei
Laienrichtern bestand. Liechtenstein erhielt damit,
nachdem ein älteres Gesetzesvorhaben 1945/46
nicht umgesetzt worden war, erstmals ein eigenes
Verfahren in Jugendstrafsachen. 221 Die Zusammen
setzung des Gerichtskörpers und der Vorgang zu
dessen Bestellung gaben Jahre später u. a. auch An
lass zu grundsätzlichen Diskussionen über das Lai
enrichtertum und führten zu entsprechenden ge
setzlichen Änderungen.
Die getroffene Besetzungslösung des Jugendge
richts wurde zumindest als nicht ganz zweckmäs
sig, wenn nicht gar als verfassungswidrig erachtet.
Das Jugendgericht setzte sich nämlich aus dem
Landrichter als Vorsitzendem und zwei Mitgliedern
des Jugendrats zusammen. Letztere gelangten Kraft
des Gesetzes und ohne eigene Bestellung in ihr Rich
teramt. Die zwei ältesten Mitglieder des Jugendrats
waren als ordentliche, die übrigen drei als Ersatz
richter bestimmt. 222 Es war also der Geburtsschein
dafür massgebend, welche Mitglieder des Jugend
rats Jugendrichter und welche Ersatzrichter waren.
Der Gesetzesentwurf von 1946 hatte eine fallweise
Einberufung von zwei Mitgliedern einer Jugend
schutzkommission in das Jugendgericht vorgese
hen. «Unter Berücksichtigung der Beschaffenheit
des zu beurteilenden Straffalles» hätten ein Geistli
cher oder Lehrer, ein Arzt, eine mit dem Milieu des
beklagten Jugendlichen gut vertraute Person, sowie
auch eine Frau als Jugendrichter einberufen wer
den sollen. 223
Das Jugendgerichtsgesetz von 1987 brachte eine
detaillierte materiell- und verfahrensrechtliche Re
gelung für Jugendstrafsachen, änderte hingegen
nichts an der Zusammensetzung und der Bestellung
des Jugendgerichts. 224 Letzteres gab Anlass zu ver
schiedener Kritik. 225 Die Vereinigung Liechtenstei
nischer Richter bezeichnete in einer Eingabe an die
Regierung die geltende Bestellung der Laienbeisit
zer im Jugendgericht als verfassungswidrig. 226 Die